Das war auch: Doch keine Tierfreundin
Eine Kuh macht Muh, viele Kühe machen Mühe. Diese Weisheit musste die Staatsanwältin Maya Sch. lernen. Die Juristin war erst in Flensburg und später in Kiel für das Dezernat Tierschutz zuständig. Nun steht sie selbst vor Gericht: Ihr wird vorgeworfen, von ihr beschlagnahmte Tiere verkauft und damit das Recht gebeugt zu haben. Um die armen Tiere vor ihren HalterInnen zu retten, so die Vermutung vor Prozessbeginn. Doch nachdem, was die Frau beim Prozessauftakt am Dienstag aussagte, ging es ihr vor allem darum, Aufwand und Kosten zu sparen.
Dass der Staat eingreift, wenn Tiere in Gefahr sind, ist richtig. Denn Menschen tun grauenvolle Dinge mit ihnen, sei es aus Bosheit, Profitgier, Gleichgültigkeit, Unwissenheit, Dummheit oder falsch verstandener Liebe. Wer im Bereich Tierschutz tätig ist, sieht in einem Jahr sicher mehr verwahrloste Ställe, räudige Hunde, keimverseuchte Katzen, wundgelegene Pferde und halb verhungerte Schafe, als ein normaler Mensch im ganzen Leben sehen möchte. Doch der Prozess in Kiel wirft ein Licht darauf, wie der Staat mit den geretteten Tieren umgeht.
Vor allem hilflos, dieses Bild zeichnete die Angeklagte von sich selbst: Zu ihrem Berufsalltag gehörte, dass sich Katzen „nicht ohne Gegenwehr“ in einen Kasten stecken lassen, dass Hunde „teilweise bissig“ sind oder dass Hühner weiter Eier legen, obwohl sie doch von Staatswegen eingezogen sind. Das sei ganz anders als bei sonstigen beschlagnahmten Gütern, die einfach nur in die Asservatenkammer verbracht werden könnten, sagte Sch. Und weil Futter und Stallgebühren die Staatskasse belasten, habe sie die Tiere rasch veräußert, wenn die Kosten drohten, den Wert der „Sache“ zu übersteigen.
Ob es sich bei der Sache um Katze oder Kanarienvogel handelte und wem genau das Tier gehörte, spielte nach Aussage der Angeklagten offenbar keine große Rolle. Dass sie die BesitzerInnnen informieren musste, bevor ein Reitpferd, ein Hund oder eine Milchkuh unwiderruflich verkauft wurde, auf die Idee sei sie gar nicht gekommen. Das sei nie beanstandet, von Vorgesetzten also indirekt gebilligt worden.
Mit ihrer ersten Stellungnahme hat Sch. – aus ihrer Sicht nicht ungeschickt – den Behördenapparat neben sich auf die Anlagebank gesetzt. Man kann gespannt sein, wie das Kieler Gericht mit dieser Argumentation umgeht. Der Prozess ist längst nicht abgeschlossen. Esther Geißlinger
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