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„Das sind wir ihm schuldig“

■ betr.: „Plattdeutsch, freihändig ge malt“ (Live hard, die young: Die taz-Todesanzeigen), taz vom 12. 6. 96

[...] Die Todesanzeigen für Jan- Jans Müntinga, für die Ihr taz-Cleverle vorher natürlich ordentlich abkassiert habt, genügen also nicht den literarischen Ansprüchen des Ressorts Wahrheit. Ihr solltet künftig noch viel mehr Eure Finger auf offene Wunden legen: Wie wär's mit ein paar spaßigen Bemerkungen zu Aidskranken oder Opfern eines Flugzeugabsturzes. Ist ja Satire. Die Seite könntet Ihr dann bestimmt auch von Benetton sponsern lassen. Bettelkampagnen unter Euren Lesern gehörten dann der Vergangenheit an.

Daß Jan in Wirklichkeit alles war, nur nicht der grüne Parteisoldat, als der er in dem Artikel posthum geehrt wird (unter anderem hat er sein kommunalpolitisches Mandat bei den Bonner Grünen niedergelegt, als diese ihm zu stromlinienförmig wurden), kann man Bjerg wirklich nicht vorwerfen: Er kannte ihn ja nicht.

Übrigens besaß Jan außer Rückgrat noch eine andere Gabe, die nicht nur unter Politikern, sondern auch in der schreibenden Zunft eher unterentwickelt ist: echten Humor. Udo Bünnagel,

Redakteur des Bonner

Stadtmagazins „Schnüss“

[...] Ist einem/r von Euch vielleicht mal durch den Kopf gegangen, daß es durchaus Menschen geben soll, um die es sich „lohnt“ zu trauern? Nix gegen Satire, aber doch nicht so. [...] Felicitas Weck, Hannover

Pfui Teufel! Eine Zeitung, die sich aus der kritischen Berichterstattung verabschiedet hat, entdeckt ihr Betätigungsfeld jetzt im Miesmachen von Todesanzeigen. [...] Anne Nilges, Bonn

Ich denke, über den Autor und seine höchst überflüssigen Zeilen brauchen wir nicht viele Worte zu verlieren. Der Artikel spricht wahrlich für sich. Wer es nötig hat, seinen unbewußten Groll (Wut, Rache, Neid?) auf das Umfeld und die ProtagonistInnen der Grünen auf dem Rücken derjenigen auszutragen, die ihrer Trauer über den Tod eines liebenswerten Menschen Ausdruck verleihen wollten, verrät letztlich eine Menge über sich selbst und seinen armen Geisteszustand – und sehr wenig über die Person, über die er ursprünglich herziehen wollte. [...] Steffi Palapies, Bonn

[...] Nun, die Zeitung hat ihren Zweck erfüllt. Denn der Artikel hat mich tatsächlich „belehrt“. Darüber, daß der Verfasser Bjerg wenigstens – wenn schon nicht Adorno – so doch Erich Fried verstanden hat (Zitat Bjerg: „... dem Adorno für Doofe“). Und auch „erbaut“: Insofern, daß ich im Gegensatz zu dem verstorbenen taz- Leser M., der laut Verfasser Bjerg froh sein kann, daß er nun tot ist, darin bestärkt worden bin, die taz nicht allzu häufig zu lesen. Christoph Hinners, Bonn

Ich habe Jan Müntinga, von Bov Bjerg „M“ genannt, ganz gut gekannt. Zwar weiß ich nicht, wie er die anläßlich seines Todes erschienenen Anzeigen beurteilt hätte. Aber ich bin sehr sicher, daß er sich über den Artikel von Bov Bjerg köstlich amüsiert hätte – selbst wenn dieser die später erschienene sechste Anzeige auch noch verwurstet hätte. „M“ war nämlich zwar lange Zeit Angestellter bei den Grünen – aber beileibe kein „Parteisoldat“. Richard Kelber, Dortmund

... erschien vom selben Autor bereits im Eulenspiegel Nr. 4/96, der unter anderem auch die gesammelten Diskussionen zum Bohley- Kohl-Titel des Hefts 3/96 enthält.

Von einer Zeitschrift namens Salbader habe ich allerdings noch nie etwas gehört, ich habe aber auch keine Lust, die angegebene Telefonnummer zu wählen, um das zu überprüfen, ich bin bereits Eulen-Abonnent und bekomme diese Artikel sozusagen zwei Monate eher frei Haus geliefert. 's wird wahrscheinlich eh wieder nur eine dieser tollen „Eulenspiegeleien“ der Herren Mielke und Behrend sein – und diesmal ist die taz das Ziel(?). [...] Uwe Doetzkies,

Rossdorf/Darmstadt

Was ich hier lese, ist so unglaublich, daß es ein schlechter Scherz sein muß. Aber wenn dem so ist, daß dieser „M“ tatsächlich gelebt hat und tatsächlich gestorben ist und Freunde und Kollegen in Trauer bei Euch eine Todesanzeigen für ihn aufgegeben haben, dann ist es eine zum Himmel stinkende Sauerei, daß jemand auf derart ausgemacht dümmliche Art und Weise sein takt- und geschmackloses Geschwätz darüber bei Euch veröffentlichen darf. Stefan Wessel-Bothe, Bonn

[...] Ihr könnt gerne Grüne kritisieren – politisch tut Ihr das ja reichlich, und gerne auch persönlich – das sind wir gewöhnt. Aber die ehrliche Trauer um den überraschenden Verlust eines Menschen wenige Monate später im selben Blatt so durch den Kakao zu ziehen, das ist schlicht gehässig und trifft nicht nur diejenigen, die die Anzeigen aufgegeben haben, ziemlich hart. [...] Annette Gille, Braunschweig

Sehr witzig. Ein Mensch bekommt völlig überraschend einen Herzinfarkt und stirbt. Gerade mal Mitte vierzig, und weg ist er. Keinerlei Anzeichen vorher. Die, die ihn kannten, ob als Lebensgefährten oder als persönlichen Freund, als Kollegen, als politischen Mitstreiter oder Linksaußen in der Fußballmannschaft, sie sind völlig fassungslos. Jede und jeder auf seine ganz persönliche Weise. Jede und jeder muß irgendwie damit fertig werden. In den örtlichen Blättern Bonner Rundschau und General-Anzeiger erscheinen Todesanzeigen und auch in der taz. Wofür? Das hat vielleicht auch etwas – unter anderem – mit dem Gedanken „Das sind wir ihm schuldig“ zu tun. [...]

Ich muß gestehen, ich bin ziemlich entsetzt. Wenn ein Mensch namens Bov Bjerg meint, zum Thema Tod und Trauer so etwas in irgendeinem Käseblättchen absondern zu müssen, ist das eine Sache. Aber daß dann einE taz-RedakteurIn Bjergs geistiges Ejakulat auch noch ins eigene Blatt hebt und dabei ziemlich sicher davon ausgehen kann, daß die Freunde und Angehörigen des Verstorbenen es lesen werden, dann hat das schon eine etwas andere Qualität. Es ist nicht nur dumm, sondern auch zynisch und menschenverachtend. [...] Stephan Brockmeier, Bonn

Wo steht eigentlich geschrieben, daß jeder Schrott, der irgendwo veröffentlicht wird, unbedingt in der taz nachgedruckt werden muß? [...]

Die Freunde, Angehörigen und Bekannten des verstorbenen Jan Müntinga müssen wohl in diesem Jahr nicht nur mit dem Verlust eines liebenswerten, sympathischen Menschen leben; sie müssen auch den Verlust des guten Geschmacks in der taz zur Kenntnis nehmen. Christian Beißel, Bonn

Ick weet nich, wat ick dortau sergen sall, för sowat gift gor kien plattdütsch Wort. Viellich sull'n jie mal jau koop anstelln, beför jie wat offschrieben daut. So'n gesabber ist doch dat letzte, dat allerletzte.

Wi brucken för uns groene Arbeit Mienschen dei süch domit utnannersetten, dei sergen wat goud un wat nich so goud is. Dorför brucken wi jau geschrieve. Wi brucken jau aber nich um Minsken in diese ort un wies in Pan tau hau'n.

Wenn ji nu noch wat goudmaken willt, denn nehmt dat Geld, wat ji för dei Todesanzeigen kregen hebt un betahlt dat in dei „Internationale Solifonds“ van't Groenen in.

Ik hop, dat wi uns taukünftig vernünftig utnannersetten könnt.

In Hopnung dat wi noch lang leben daut. Mit groene Groeten Meta Janssen-Kucz,

Moormerland

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