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„Das schlaucht“

Ein Sekundarschullehrer berichtet von seinen Erkenntnissen aus der Arbeitszeit-Studie

„Ich habe meine Zeiten eingetragen, dann die Zahlen gesehen und gedacht: Wow, da ist viel zusammengekommen. Das war wie ein Realitäts-Check: Ja, der Arbeitsalltag fühlt sich schon belastend an. Doch damit hatte ich eine Rückmeldung. Ich habe festgestellt, wie viele Tätigkeiten wir als Lehrer ausführen. Ich konnte zehn Tätigkeiten neben dem Unterrichten für mich auflisten: von der Unterrichtsvorbereitung über pädagogische Gespräche, Pausenaufsicht, Elterngespräche, Mailverkehr, Konferenzen und Weiterbildungen bis zum Aufräumen des Arbeitsplatzes.

Mir hat die Studie auch gezeigt, wie viel wir parallel machen. Das habe ich daran gemerkt, wie oft ich geschwankt habe, in welchen Bereich ich meine Tätigkeit eintrage – wenn ich etwa in der Pausenaufsicht noch ein pädagogisches Gespräch führe oder während der Unterrichtsvorbereitung nebenbei Mails beantworte. Oder wenn ich eigentlich gerade den Raum vorbereite und eine Schülerin mich anspricht. Das kann ich gar nicht alles einzeln erfassen, das läuft alles nebeneinander. Es zeigt mir auch, wie verdichtet unsere Arbeit ist. Zum Teil war das auch wie eine Selbstkorrektur: Ich habe versucht, so zu arbeiten, dass ich nur eine Sache erfasse.

Was auch deutlich wurde: dass es übers Schuljahr gesehen noch einmal besonders verdichtete Tage oder Wochen gibt. Etwa vor Weihnachten, zum Halbjahreswechsel oder zum Jahresende. Und wie viel ich auch am Wochenende oder in den Ferien arbeiten muss – einfach, weil wir im Schulalltag Fristen haben, die wir einhalten müssen. Jetzt zum Beispiel habe ich Abi-Klausuren zur Zweitkorrektur bekommen, die muss ich am Freitag an meinen Kollegen zurückgeben, und danach bekomme ich noch mehr.

Ich habe auch schon gehört, dass Kol­le­g*in­nen sich krankmelden, um dann zu Hause zu arbeiten: weil die Fristen anders nicht einzuhalten sind. Es ist wichtig, unsere Arbeitszeit sichtbar zu machen. Es muss jetzt eine Arbeitszeiterfassung für Leh­re­r*in­nen eingeführt werden, das finde ich am wichtigsten. Aber es geht nicht nur um die Zeit, ­sondern auch darum, wie stark die Belastung ist. Oft müssen wir viele Entscheidungen in sehr kurzer Zeit treffen, das schlaucht. Die reine Zeiterfassung macht nicht jede Belastung sichtbar.“

Maximilian Tessenow, 36, ist Lehrer an einer Integrierten Sekundarschule in Neukölln und dort im Personalrat sowie bei der GEW aktiv. Er hat über die gesamte Laufzeit an der Studie teilgenommen.

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