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Das langsame Sterben der Langenstraße

■ Die Langenstraße ist eingekeilt zwischen drei Riesen-Baustellen / Sperrung bis Mai 2002 / Den Geschäftsleuten der einstigen Bummelgasse droht nach und nach der Atem auszugehen

Zwischen Schütting und Sparkasse fängt das Elend an. Ein massives Gerüst, Gitter und Verbotsschilder, Presslufthammer dröhnen im Herzen der Stadt: Hier beginnt die Langenstraße – der Passantenstrom hört auf.

Im Mittelalter waren Langenstraße und Marktplatz noch das Zentrum Bremens. Jetzt ist die Gasse der einzige tote Punkt mitten in der City. Der Grund: Seit dem 15. Februar ist der Zugang vom Marktplatz aus gesperrt.

Inzwischen ist die Langenstraße sogar von drei Baustellen eingekeilt: Die alte Börse wird für 120 Millionen Mark zu „Peek & Cloppenburg“, die ehemalige Post zu einem Büro- und Geschäftshaus umgebaut, auf der Obernstraße werden derzeit Trottoir und Straßenbahngleise ausgetauscht. Nur über Treppen ist die gute Stube Bremens noch von der City aus zu erreichen. Die Geschäftsleute sind mehr als genervt: Die Kunden bleiben aus. Ihre Straße stirbt langsam. Die Geschäfte auch.

„Die Situation ist verheerend bis desaströs“, sagt Jürgen Nehen von der Buchhandlung Storm. Oft stehen die Sattelschlepper vor seinen Schaufenstern, Baggerlärm stört Schmökernde in den Bücherstuben. Direkt vor der Tür der zwei Storm-Buchhandlungen soll demnächst ein Kran aufgestellt werden. Nehen nimmt's fast gelassen: „Hier sieht's sowieso aus wie auf einer Werft.“

80.000 Buchtitel warten in den Läden auf Kunden. Oft vergeblich, die Laufkundschaft bleibt weg: „Viele sagen, sie wissen nicht, wie man zu uns kommt“, klagt Nehen. Schon hat er sozialverträglich Personal abgebaut: „Jeder sagt, das überstehe ich nie. Zum Glück sind wir jedoch eine Spezialbuchhandlung. Viele Kunden suchen und finden uns tatsächlich“ – trotz Baustelle. Ohne Erfolg hat er versucht, die Miete – rund 35 Mark pro Quadratmeter – zu mindern: „Juristisch ist das für Gewerbetreibende unmöglich.“

„Dieses Jahr hatten wir schon oft Ruhetag“, sagt Monta Sumonta vom Pochana Thai Restaurant. Es ist Mittag, im Restaurant sitzt ein Gast. Früher ließen sich viele Touristen von den Thailändern verkös-tigen. Das ist jetzt vorbei, auch seitdem die Stadt-Führungen nicht mehr am Renaissance-Bau der Stadtwaage Station machen. Sumonta will auf jeden Fall durchhalten: „Das vergangene Jahr war toll für uns, bald wird es wieder gute Jahre geben.“

Der „Reisedienst Weserbahn“ ist seit 1974 in der Langenstraße im BSAG-Kundencenter untergebracht. „Seitdem hatten wir nicht mehr so ein schlechtes Jahr“, sagt Herbert Bahtmann vom Reisedienst. „Auch nicht während der Kanalarbeiten, auch nicht, als die Straße neu gepflastert wurde.“

Für Buchhandlungs-Chef Nehen ist die Langenstraße „sowieso tot, seitdem sie vor einigen Jahren mit irrsinnigem Aufwand saniert und für den Durchgangsverkehr gesperrt wurde“. Aber das Gerüst an der ehemaligen Börse, das den Eingang in die Langenstraße verstellt, regt ihn fast noch mehr auf. Da das historische Gebäude komplett entkernt wird, stehen fast nur noch die Mauern. Nehen ist empört: „Vorne an der Obernstraße war so eine riesige Stahlkonstruktion nicht nötig, hier bei uns stützen sie damit eine blödsinnige Backsteinwand aus dem Jahr 1910 ab. Das ist auf dem Mist der Denkmalpflege gewachsen. Da greift man sich doch an den Kopf!“

Wolfgang Brakhane vom Einzelhandelsverband Nordsee betont indessen das Positive an den Baustellen: „Wenn zu Hause beim Renovieren die Tapete dran ist, freut man sich doch auch.“ Vor allem lobt er aber das „Baustellenmanagement“ während der Renovierung der City. Info-Container, Hotline, Aktionen – und natürlich „Buddel, der Baustellenreporter“. Die Schaufenster der Innenstadt sind zugepflastert mit dem schnuffigen Baustellenmaskottchen.

In der Obernstraße regiert „Buddel“, in der Langenstraße brauchend die Geschäftsleute einen langen Atem – sonst droht der Pleitegeier. Natürlich will das niemand der Geschäftsleute sagen, um die wenigen Kunden, die noch kommen, nicht zu vergraulen. Das Gerüst, das die Straße versperrt, soll erst im Mai nächsten Jahres entfernt werden. Dann wird hier auf der einen Seite der Hinterausgang von Peek & Cloppenburg entstehen, auf der anderen sollen exquisite Geschäfte einziehen. Buchmann Nehen sieht auch dann wenig Besserung: „Es ist nicht so, dass wir im Mai 2002 den warmen Regen mit den Armen auffangen: Dann wird der Marktplatz renoviert.“

Kai Schöneberg

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