Das kommt: Spätes Urteil erwartet
Am Montag will das Bremer Landgericht ein Urteil fällen – endlich, nach mehr als 60 Verhandlungstagen. Zwölf Jahre Gefängnis hat die Staatsanwaltschaft für die beiden Erwachsenen gefordert, denen schon in der Anklageschrift vorgeworfen wurde, in der Silvesternacht 2016/17 aus einer Gruppe heraus so intensiv auf einen 15-jährigen Syrer eingeschlagen und getreten zu haben, dass der Junge eine Woche später im Krankenhaus starb. Die Angeklagten schwiegen vor Gericht zu der Tat – und als sie zum Schlusswort aufgefordert wurden, sagte einer der Angeklagten nur: „Ich plädiere für mich auf Freispruch.“
Nicht nur das Schweigen der Angeklagten hat den Prozess so mühsam gemacht, auch das Aussageverhalten der Zeugen: Eine Gruppe zumeist türkisch-stämmiger Männer hatte in dem Ladenlokal gefeiert, in dem der 15-Jährige in jener Silvesternacht Zuflucht vor seinen Angreifern suchte. Da er erst nur schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt zu sein schien, nahm die Gruppe der Feiernden zunächst die Haltung ein: „Wir mischen uns da nicht ein“, und redete sich in den ersten polizeilichen Vernehmungen mit Alkohol heraus. Obwohl sie, wie sie später berichteten, in der Tatnacht empört gewesen waren über die Brutalität gegen „ein Kind“ und die Täter, die sie persönlich gut kannten, zu stoppen versuchten.
Erst als die Nachricht vom Tod des Jungen kam, erinnerten sich die Zeugen – und manche Aussage klang später so, als sei sie mit Elementen ausgeschmückt, die zu der Dramatik des Todes dieses Jungen passten. In den Zeugenaussagen gab es zum Beispiel Kick-off-Tritte gegen den Körper des Jungen, Hämatome konnten die Gerichtsmediziner aber nicht feststellen.
Darauf stützte sich die Verteidigung: Zeugen unglaubwürdig, alles nicht so schlimm, letztlich gestorben sei der Jungen an der falschen Behandlung im Krankenhaus. Und überhaupt: Da die Familie der Täter als Sympathisanten der PKK bekannt sei, die Zeugen möglicherweise Salafisten seien, könne man ein Aussage-Komplott von türkisch-stämmigen Männern nicht ausschließen, erklärte Verteidiger Martin Stucke.
Das Gericht hat diese Strategie aber nicht davon überzeugt, die Anklage wegen einer Gewalttat mit bewusster Inkaufnahme des Todes fallen zu lassen – zu Gunsten des deutlich geringeren Vorwurfs Körperverletzung mit Todesfolge. Der Urteilsspruch ist für Montag angesetzt. Klaus Wolschner
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