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Das große Lebeck-Paket

Die Autobiographie, der große Bildband und die internationale Wanderausstellung: Vor kurzem wurde der Fotojournalist und Sammler Robert Lebeck siebzig  ■ Von Brigitte Werneburg

Henri Nannen nannte ihn „Smiling Bob“; er traute ihm zu, jeden Auftrag hinzukriegen. Einfach, weil Robert Lebeck immer so nett lächelte. Das tut er tatsächlich. Bei der Ausstellungseröffnung im Berliner Willy- Brandt-Haus begegnete man einem groß gewachsenen, gut aussehenden, leisen Mann, den man ohne weiteres einen Sonnyboy nennen würde. Nur, ist das angemessen, bei einem älteren Herrn von 70 Jahren?

Man muß von der Ausstrahlung dieses Mannes Aufhebens machen, denn dieser Mann ist Fotojournalist. Henri Nannen hatte recht, wenn er Lebecks Auftreten und seine Chancen auf das singuläre Bild in Zusammenhang brachte. Der Körper des Fotografen garantiert das Bild. Der Fotograf muß an das Aufnahmeobjekt rankommen. Und zwar nah.

Nah ranzukommen ist unter den Bedingungen des Fotojournalismus nicht immer leicht. Manchmal ist es gefährlich und oft genug nur Glück. Von Glück spricht denn auch Robert Lebeck in seiner Autobiographie „Rückblenden“, und zwar von Glück in Serie, das ihm immer wieder zu einzigartigen Bildern verhalf. Doch dieses Glück kommt nicht von ganz allein. Man muß dafür Regeln verletzen, sagt Lebeck. Und wenn sich paradoxerweise ein unsentimentales, unbarmherziges Durchsetzungsvermögen mit freundlichem Charme und einem gewinnenden Lächeln paart, dann kommt man mit der Regelverletzung eben durch.

Es wundert nicht, daß das großartige Einzelbild Lebecks Stärke ist. Für eine gut recherchierte, handfeste und langsam erarbeitete Reportage darf man als Fotograf ruhig etwas anstößiger, gewissermaßen unhandlicher sein als „easy Bob“, wie Robert Lebeck auch genannt wurde. Da zählt am Ende die Zähigkeit. Aber für das schnelle Bild, das kein anderer getroffen hat, innerhalb einer – wie man so schön sagt – unwiederbringlichen Situation, da sollte man einfach Lebeck heißen. Seine besten Bilder haben denn auch ein wenig den Charakter von Paparazzi-Fotografien. Sie wirken erbeutet, wenngleich nicht unter unehrenhaften Bedingungen.

Ein erbeutetes Bild wirkt nicht gestellt. Wenn Lebeck Jackie Kennedy und Lee Radziwill am Sarg von Robert Kennedy 1968 erwischt, dann scheinen die trauernden Schwestern in ihr Gebet zu versunken, als daß man glauben möchte, sie hätten posiert. Zugleich wirken sie dabei so ungezwungen, daß man auch nicht glauben mag, ein Gefühl, ihnen werde nachgestellt, hätte sie irritiert. Unter unehrenhaften Umständen gibt es scheinbar keine Bilder dieser Qualität. Welches echte Paparazzi- Foto wurde je eine Foto-Ikone?

Aber ein Bilderstehler ist Lebeck schon. Sein Instrument ist die Leica mit der kurzen Brennweite, und so vernachlässigenswert der kleine Fotoapparat wirkt, der 21mm-Superweitwinkel hielt Leute im Bild fest, die nicht im Traum daran dachten, daß sie noch im Sucher sein könnten. Die enorme Tiefenschärfe und die enorme Nüchternheit seiner Bilder verdankt sich dieser technischen Anordnung.

Es sind im besten Sinne Bilder vom Tage, die Lebeck schießt. Handwerklich versiert, aber ohne Kunstanstrengung, wobei ihm doch außerordentlich wohlausgewogene Ansichten gelingen; und wenn sie unsentimental wirken, so sind sie gleichwohl atmosphärisch dicht. Wie etwa das berühmte Bild vom Tage, an dem der Kongo selbständig wurde. Salutierend stehen König Baudouin I. in schneeweißer Uniform und der neue kongolesische Präsident Joseph Kasavubu im Fond des offenen Wagens, der die Prachtstraße der Hauptstadt Leopoldville entlang fährt, als plötzlich ein junger Schwarzer im Anzug dem König den Degen klaut. Das Foto ist so sehr Symbol, daß ein Hamburger Geschäftsmann das Plakat mit diesem Bild zu Lebecks erster Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe nicht aushängen wollte. Es sei „inopportun“, eine „Kränkung des weißen Mannes“. So sprach man damals noch, 1962.

Robert Lebeck war 33 Jahre alt, als er seine erste Einzelausstellung hatte. Zehn Jahre davor hatte er noch die Putzkolonnen im US- Hauptquartier in Heidelberg überwacht. Dann schenkte ihm seine Frau eine „Retina 1a“, und Lebeck begann zu fotografieren. Er war Amateur, Autodidakt. Seine ersten Bilder ließ er noch in der Drogerie um die Ecke entwickeln, „Chamois-matt, mit Büttenrand und im 6-mal-9-Format“. Freilich wußte der gebürtige Berliner durchaus, wie richtige Reportagefotografie aussah. Denn nach dem Krieg, den er als Flakhelfer überstand, hatte er zwei Jahre bei einem Onkel in New York gelebt. Der war Art Director und Comicproduzent, und bei ihm zu Hause gab es Life, Look, die Saturday Evening Post und den New Yorker. Das erste Illustriertenfoto, das er bewußt wahrnahm und das ihn faszinierte, stammte vom deutschen Emigranten Alfred Eisenstaedt. 30 Jahre später ersteigerte es Lebeck auf einer Auktion. Inzwischen war er nicht nur ein erfolgreicher Fotojournalist, sondern auch fanatischer Sammler; einer, der schon früh Bildpostkarten nachjagte oder alten Illustrierten.

Recht schnell hatte er also im Illustriertengeschäft Fuß gefaßt. Auch hier half ihm neben seinem Talent für die Fotografie sein Talent zum guten Leben. Denn um nicht gleich nervös zu werden, wenn man beim Stern 1961 zum Einstand auf fast die gesamte Elite der deutschen Fotoreporter stößt wie Rolf Gillhausen, Thomas Höpker, Stefan Moses, Werner Bokelberg oder Max Scheler, braucht es nicht bloß Professionalität, sondern auch eine gewisse Chuzpe. Und man muß sich auf die Bedingungen des Printmediums einlassen; daß das Foto betextet, layoutet und dafür sogar beschnitten wird, ist kein Grund zur Klage. Im Gegenzug spricht nichts dagegen, geschäftstüchtig zu sein; Lebeck wußte also hochdotierte Verträge auszuhandeln, die ihm dazu die internationale Zweitverwertung seiner Bilder zusicherte.

Und beste Verträge hieß immer wieder Stern. Eine gute Stern-Story war immer wieder Willy Brandt. Denn „er galt als Popstar unter den Politikern, und sein größter Fan hieß Henri Nannen“. Lebeck war kein Brandt-Fan. Doch das erschließt sich nicht aus seinen Bildern, das liest man in seiner Autobiographie. Weil sich aber gute Fotos vom ehemaligen Kanzler im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Bundeszentrale, gut machen, ist die Lebeck-Ausstellung, die auch in einem opulenten Bildband dokumentiert ist, hier gut gelandet.

Robert Lebeck: „Vis-à-vis“. Steidl Verlag Göttingen 1999, 262 S., 280 Fotos, 78 DM

Robert Lebeck (mit Harald Willenbrock): „Rückblenden. Erinnerungen eines Fotojournalisten“. Econ Verlag München 1999, 316 S., zahlr. Abb., 48 DM

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