: Das große Auspacken beginnt
■ Charlie Francis, der Trainer des kanadischen Sprinters Ben Johnson, bestätigt Dopingverdacht
Berlin (taz) - Äußerst gesprächig präsentierte sich Charlie Francis, der zwölf Jahre lang Trainer des kanadischen Sprinters Ben Johnson war, vor einem Untersuchungsausschuß der kanadischen Regierung in Toronto. Bereits im Herbst 1981 habe Ben Johnson mit gezieltem Doping angefangen. „Ben wußte, daß er Drogen nahm und warum“, erklärte Francis unmißverständlich. Damals habe der Athlet angefangen, Dianabol zu nehmen, später habe ihm Francis selbst auch das muskelbildende Mittel Furazabol gespritzt.
Die Medikamente seien Johnson und anderen Athleten von dem Arzt Jamie Astaphan verabreicht worden, der Praxen in Toronto und auf der Karibik-Insel St.Kitts unterhält. Die ersten 14 Ampullen habe Johnson umsonst bekommen, obwohl eine damals zwischen 130 und 150 Dollar kostete. Sorgen, erwischt zu werden, hätten sie keine gehabt, auf den Packungen habe stets die Warnung gestanden: „Nicht nehmen innerhalb von 28 Tagen vor dem Wettkampf.“ Vor den Olympischen Spielen in Seoul habe Johnson das Mittel Stanozolol, das nach seinem Goldmedaillengewinn über 100 Meter bei ihm nachgewiesen worden war, jedoch nicht rechtzeitig abgesetzt, weil er sonst nach einer Verletzung keine Siegchance gesehen hätte.
Gleichzeitig mit Johnson beschuldigte Charlie Francis auch zahlreiche andere LeichtathletInnen der Einnahme von Dopingmitteln, unter anderem Florence Griffith-Joyner und Evelyn Ashford. Schon bei den Olympischen Spielen 1972 in München, an denen Francis als Aktiver teilgenommen hatte, seien „80 Prozent der Spitzenathleten“ Anabolika-Benutzer gewesen. „Es war ganz klar, daß Steroide ungefähr einen Meter ausmachen“, rechtfertigte der Trainer sein und Johnsons Vorgehen, „die Entscheidung war, ob er seinen Startblock neben die anderen Konkurrenten oder einen Meter hinter ihnen festmachen sollte“.
Die US-Sprinterin Evelyn Ashford, die eine der Führerinnen der Anti-Dopingbewegung in den USA ist, reagierte sofort heftig auf die Beschuldigungen und bezeichnete die Vorwürfe von Francis als „Rache für meine Freimütigkeit und Konsequenz im Kampf gegen den Drogenmißbrauch“. Leute wie Francis würden ihren Athleten erzählen, daß Evelyn Ashford Drogen nimmt, „um ihre eigenen Athleten zur Einnahme von Anabolika zu bewegen“. Unterstützung bekam die Sprinterin von Edwin Moses, einem anderen Verfechter des „sauberen Sports“. „Dieses glaube ich auf jeden Fall nicht“, meinte der zweimalige Olympiasieger zum Fall Ashford.
Inzwischen hat der „Internationale Leichtathletikverband“ (IAAF) erklärt, daß Ben Johnson seinen Weltmeistertitel und den bei der WM in Rom erzielten Weltrekord vorläufig behalten dürfe, obwohl Francis ausgesagt hatte, daß Johnson auch vor der WM ausgiebig gedopt habe. Es sei nicht möglich, einem Athleten rückwirkend die Medaille abzuerkennen, es sei denn, er gäbe selbst zu, Drogen genommen zu haben. Ben Johnson bestreitet dies bislang. Seine Vernehmung vor dem Ausschuß soll in der zweiten März-Hälfte beginnen.
Matti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen