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Das einzige Antirepressivum

■ Alternative „Pharmavertreter“ verteilen informatives „Medico Mental“ in Arztpraxen

„Guten Tag, wir möchten Ihnen 'Medico Mental‘ vorstellen, das einzigartige Antirepressivum, hochwirksam und garantiert ohne schädliche Nebenwirkungen.“ Etwas mißtrauisch mustert die Sprechstundenhilfe die beiden jungen Männer, die mit ihrem Sprüchlein und Köfferchen zwar wie Pharma-Vertreter auftreten, aber in Jeans und Pulli so gar nicht danach aussehen. Und auch die schwarz-rote Probepackung, die sie ihr auf den Thresen gelegt haben, sieht üblichen Pillen -Schachteln zwar zum Verwechseln ähnlich, aber wenn man genauer hinsieht, steht da zum Beispiel: „Indikation: Armut, Mangelernährung, Ungerechtigkeit, fehlende Hygiene, Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung, Medikamentenmißbrauch“. Schließlich faßt die Sprechstundenhilfe einen Entschluß: „Ich werde Frau Doktor Bescheid sagen.“

„Was sind fünf Milliarden Mark für Pharma-Werbung gegen das Engagement von Tausenden von kritisch denkenden und handelnden Menschen“ hatte die Hilfsorganisation „Medico International“ in ganzseitigen Zeitungsanzeigen geschrieben und zum Mitmachen aufgefordert: Das „einzigartige Medico Mental“ soll ÄrztInnen, PraxismitarbeiterInnen und vor allem PatientInnen über die Ursachen des Hungers und der Krankheit in den unterentwickelt gehaltenen Ländern der sogenannten „Dritten Welt“ informieren. Die kleine Schachtel enthält auf elf Informationskärtchen Wissenswertes über die neuen „Geißeln der Tropen“, Agrobusiness und Verschuldung, über Vorzüge traditioneller Medizin, über den Unfug teurer Multivitaminpräparate und auch über die Basis -Gesundheitsprojekte der gerade 20 Jahre alten Organisation „Medico International“.

Frau Doktor zeigt sich schließlich informiert - sie hat selber jahrelang in Indien gearbeitet. Sie hat aber dennoch Kritik: „Auf dem Plakat steht zuviel Kleingedrucktes und ob meine Patienten den Schachtelinhalt entziffern können, weiß ich nicht.“

Ase

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