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Das Ziel heißt: BundestagAnwärter auf Position

Die CDU beschließt an diesem Freitag als erste Partei ihre Landesliste, die Monika Grütters anführt. Die SPD sucht offiziell noch, doch vieles deutet auf Eva Högl hin

Hoch im Kurs: Deutscher Bundestag in Berlin. Bild: dpa

Wer macht’s? Nachdem Wolfgang Thierse nicht wieder für den Bundestag kandidiert, braucht die SPD 2013 eine neue Spitzenfigur für ihre Landesliste. Für den Zehlendorfer Kreischef Michael Arndt ist nun der neue Landeschef Jan Stöß gefragt. „Wir können da doch nicht mit einer No-Name-Liste antreten“, sagte Arndt der taz und verwies auf die bekannten möglichen Spitzenkandidaten anderer Parteien – Monika Grütters bei der CDU oder Renate Künast bei den Grünen. „Stöß muss da noch ein Kaninchen aus dem Hut zaubern.“ Andere in der SPD weisen seine Kritik zurück: Es gebe durchaus bekannte Kandidaten. Vieles deutet derzeit auf die Abgeordnete Eva Högl hin.

Seit 1994 war Thierse Spitzenkandidat der Berliner SPD für den Bundestag. Bei fünf Bundestagswahlen stand sein Name auf dem Zettel mit der Zweitstimme als erster hinter dem Parteinamen. Nun muss die Partei die Nachfolge regeln. Landeschef Stöß hält sich aber noch bedeckt. „Das ist noch offen“, sagt seine Sprecherin Josephine Steffen. Feststehen soll bloß, dass Stöß selbst nicht für den Bundestag antritt.

Die SPDlerinnen von der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) hatten bereits im Frühjahr gefordert, den Spitzenplatz nicht länger mit Thierse, sondern mit einer Frau zu besetzen. AsF-Landesvorsitzende ist Eva Högl – derzeit SPD-Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss. Das wäre auf Kosten einer Kampfabstimmung gegangen, die Parteien bei Spitzenpositionen gerne vermeiden, um ein Bild der Geschlossenheit abzugeben. Im August aber gab Thierse bekannt, er wolle nicht mehr antreten. Über ein halbes Jahr lässt sich die SPD mit dem Beschluss noch Zeit, erst am 25. Mai soll die Entscheidung bei einem Landesparteitag fallen.

Die CDU ist traditionell weit früher dran und entscheidet schon am heutigen Freitag über Spitzenkandidatur und Landesliste – jene Liste, die dann von Bedeutung ist, wenn eine Partei weniger Wahlkreise gewinnt, als ihr durch die Zweitstimme zustehen. Nummer eins soll erneut die stellvertretende Landeschefin Monika Grütters sein, die im Bundestag den Kulturausschuss leitet. Sie gilt als mögliche neue Kulturstaatsministerin, falls die CDU in der Bundesregierung bleibt. Das Risiko bei Grütters ist, dass sie als einzige der Berliner CDU-Bundestagsmitglieder keinen sicheren Wahlkreis hat, sondern in Marzahn-Hellersdorf antritt, wo die CDU außerhalb der Eigenheimsiedlungen von Kaulsdorf-Biesdorf keine Chance hat. Wenn die CDU berlinweit so viele Wahlkreise gewinnt, wie ihr Bundestagssitze zustehen, kommt Grütters trotz Listenplatz 1 nicht erneut ins Parlament. 2009 wäre das fast passiert.

Eine gute Chance auf ein Bundestagsmandat hat die Frau auf Platz 6 der CDU-Liste, Christina Schwarzer, die in Neukölln antritt. Sie ist seit Langem die erste Kandidatin auf einem aussichtsreichen Listenplatz, die keinen Hochschulabschluss hat – Schwarzer lernte Rechtsanwalts- und Notariatsgehilfin.

Kommt sie ins Parlament, entspräche das der alten Forderung, der Bundestag solle ein Spiegel der Gesellschaft sein – und nicht, wie es die frühere FDP-Größe Otto Graf Lambsdorff mal formulierte, „mal voller und mal leerer, aber immer voller Lehrer“. Bislang sind der Spandauer CDU-Abgeordnete Kai Wegner, gelernter Versicherungskaufmann, und die SPDlerin Petra Merkel als kaufmännische Angestellte die einzigen Nicht-Akademiker unter den 23 Berliner Abgeordneten von CDU (6), SPD (5), Linke (5), Grüne (4) und FDP (3). Merkel, die nach zehn Jahren im Bundestag nicht erneut kandidiert, wurde auch ohne Doktor, Professur oder Diplom Chefin des Haushaltsausschusses.

Schwarzer, heute 36, wurde schon mit 23 Jahren Mitglied in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung, ist konsequenterweise tief verwurzelt und will Anliegen aus ihrem Bezirk in den Bundestag tragen. Man müsse nicht studiert haben, um den Leuten zuzuhören, sagte Schwarzer der taz. Nicht dass die anderen Kandidaten nicht bodenständig seien – aber sie will damit besonders punkten. Im Neuköllner Wahlkampf trifft sie auf den örtlichen SPD-Chef Fritz Felgentreu, der bereits 2009 vergeblich kandidierte.

Als Nächste nach der CDU werden die Grünen Mitte Februar ihre Landesliste beschließen, kurz vor Linkspartei und Piraten. Bei den Berliner Grünen ist voraussichtlich erneut Renate Künast die Nummer eins. Bei den Linken läuft es wie 2009 auf Gregor Gysi hinaus, bei den Piraten ist die Spitzenkandidatur nach Parteiangaben noch offen. Künast scheiterte zwar bei der Grünen-Urabstimmung mit ihrem Wunsch, bundesweit Spitzenkandidatin zu werden, erzielte aber ein respektables Ergebnis.

Die Grünen kamen 2009 auf vier Mandate und rechnen sich für 2013 Chancen aus, nicht nur in Friedrichshain-Kreuzberg, sondern auch in Mitte den Wahlkreis direkt zu gewinnen. Dort fordert der bisherige Landesparlamentarier Özcan Mutlu die SPD-Abgeordnete Högl heraus.

Die Linken holten 2009 fünf Mandate, vier davon direkt, und lagen vor der SPD. Bei der Abgeordnetenhauswahl vergangenes Jahr aber sackten sie durch und fielen selbst in ihren langjährigen Hochburgen Lichtenberg und Marzahn-Hellersorf hinter die SPD zurück. Als sicher gilt für die Linke nur der Wahlkreis Treptow-Köpenick – weil dort Gysi antritt, der 2009 mehr als doppelt so viele Stimmen wie der Zweitplatzierte bekam.

Neben Mutlu und seinem Pankower Fraktionskollegen Andreas Otto bei den Grünen drängen auch bei der SPD gleich drei Landesparlamentarier in den Bundestag. Frank Zimmermann, der sich einen Namen als Chef des Banken-Untersuchungsausschusses machte, bewirbt sich in Tempelhof-Schöneberg um die Direktkandidatur, Umweltexperte Daniel Buchholz in Spandau. In Charlottenburg-Wilmersdorf setzte sich bei der SPD vergangenes Wochenende bereits die Sozialexpertin Ülker Radziwill durch.

Die potenzielle Anführerin der SPD, Eva Högl, will in Mitte am 1. Dezember erneut aufgestellt werden: „Und danach können wir auch über eine Spitzenkandidatur reden.“

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