■ Das ZDF-Kungelsystem: Ausgewogenheit durch Einflußnahme
Frei von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme solle der Rundfunk sein, verlangte das Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen. Das große Wort heißt: „Staatsferne“ des Rundfunks. Wie das in der Praxis aussieht, kann man am besten im Verwaltungs- und im Fernsehrat des ZDF besichtigen: Im Fernsehrat des größten Senders in Europa sitzen zehn Staatssekretäre und drei Minister. Dazu gesellen sich der frühere Bundespostminister Wolfgang Bötsch, der Kanzler-Berater Andreas Fritzenkötter oder FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle. Die Politprominenz vertritt nicht nur die Posten des Bundes, der Länder und der Parteien, sondern auch Plätze, die für gesellschaftlich bedeutsame Organisationen vorgesehen sind. So wurde SPD-Mann Klaus Rüter, Chef der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz, für die Verbraucherverbände in das Gremium geschoben. Der Fernsehrat, so steht's im ZDF-Staatsvertrag, hat die Aufgabe für die Sendungen „Richtlinien aufzustellen und den Intendanten bei der Programmgestaltung zu beraten“. Dabei sind ausgerechnet die Ratsmitglieder täglich Gegenstand der Berichterstattung.
Der Verwaltungsrat beschließt den Haushalt des Senders. In diesem Gremium sitzen fünf Ministerpräsidenten, denen noch ein paar Ex-Staatsminister und -sekretäre zugucken. Die wichtigste Aufgabe der Gremien ist die Personalpolitik. Den Intendanten wählt der Fernsehrat, Direktoren und Chefredakteur muß der Verwaltungsrat bestätigen. Einen der ihren wählten die staatlichen Fernsehkontrolleure kürzlich zum ZDF-Verwaltungsdirektor: den Staatssekretär Hans Joachim Suchan (SPD).
Inoffiziell wollen die Regierungen und Parteien allerdings auch bei anderen Stellenbesetzungen mitreden. ZDF-Intendant Dieter Stolte steht nicht gerade im Ruf, gegen derartige diese Begehrlichkeiten erbitterten Widerstand zu leisten. Ein Studioleiter links, ein Redaktionschef rechts – so werden die Posten verteilt. Die Politiker können dabei nichts finden. Regelmäßig betonen sie, es gehe schließlich um die Ausgewogenheit des Programms. löw
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen