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Das UN-Tribunal verurteilt fünf kroatische KriegsverbrecherPolitisch verspätete Gerechtigkeit

Zufälle gibt’s. Da fällt das UN-Kriegsverbrechertribunal ein Urteil gegen fünf kroatische Massenmörder – just zu dem Zeitpunkt, als die Parlamentswahlen in Zagreb gelaufen sind und die Kriegstreiber der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) eine schwere Wahlschlappe einstecken mussten. Dabei hätte das gestrige Urteil schon längst gesprochen werden können. Die Schlussworte der Ankläger und Verteidiger liegen über ein halbes Jahr zurück, juristisch hat sich in der Zwischenzeit nichts getan. Aber: Alle jetzt Verurteilten waren aktive HDZ-Funktionäre, einige waren gar zu Besuch beim mittlerweile verstorbenen kroatischen Präsidenten Tudjman.

Pardon, das ist einfach Zufall, heißt es dazu lapidar aus Den Haag. Politischen Druck auf das Tribunal gebe es nicht, und den einen Satz in der Urteilsbegründung, der lautet: Die fünf Kriegsverbrecher waren nur Mittäter, also nicht für Planung und Ausführung der Greueltaten verantwortlich, sollte man eben nicht überbewerten. Die Namen der Drahtzieher aber werden weiterhin nicht genannt – dabei ist klar, wer damit gemeint ist: Kroaten-General Tihomir Blaskić und der Vorsitzende der bosnischen HDZ, Dario Kordić. Beide sitzen schon über zwei Jahre in niederländischer Untersuchungshaft; in beiden Fällen wird ermittelt, ob ein persönlicher Auftrag von HDZ-Chef Franjo Tudjman vorlag.

Nach dem Ableben des kroatischen Präsidenten hat sich für die Tribunal-Fahnder vieles vereinfacht. Die neue, liberale Regierung in Zagreb wird es nicht mehr wagen, sich gegen das UN-Gericht zu stellen. Bislang verweigerte Kroatien jede Zusammenarbeit mit Den Haag, lieferte Dutzende mutmaßliche Kriegsverbrecher nicht aus, gab wichtige Militärdokumente nicht frei, hetzte und organisierte Kundgebungen gegen das „CIA-Instrument Kriegsverbrechertribunal“. Damit ist nun Schluss – nicht etwa, weil die internationale Staatengemeinschaft tapfer mutmaßliche Massenmörder durch Nato-Kommandos festnehmen ließ oder gegenüber Zagreb Wirtschaftssanktionen verhängte. Nein, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist allein dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass die Kroaten endlich einen politischen Neuanfang wagen wollen.

Wann die Serben diesem Beispiel folgen werden, steht dagegen in den Sternen. Die Opfer dürfen warten, und die serbischen Giftköche und Völkerhasser können sich freuen: Vorerst zumindest bestimmen weiterhin sie allein, was im südlichen Teil des ehemaligen Balkanreiches passiert. Karl Gersuny

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