: Das „System Raschid“
■ Eine neue Ethno-Komödie: „Die Beduinen von Paris“
Es kann gar nicht genug geguckt werden für die gute Sache im Kino, es kann auch nicht genug gekämpft werden vor der Leinwand gegen die Ungerechtigkeiten der Welt. Früher war das meistens die Dritte, aber seitdem wir die auch als Euro -Version kennen, gucken wir lieber, wie es bei unseren Nachbarn zugeht. England hat es vorgemacht: Sozialkritische Komödie aus der Welt der unterdrückten Minderheiten erfreuen sich allseits steigender Beliebtheit. Und was den Engländern die Pakis sind, sind den Franzosen die beurs: Marokkaner, Algerier - einmal rund um die Wüste. Findig wie immer haben auch bei den beurs die Musikproduzenten als erste erkannt, daß sich deren Lebensgefühl durchaus vermarkten läßt: Cheb Kader feiert mit seinem Rai-Pop wahre Triumphe in Frankreich, alldieweil die Deutschen erst mal ihr Herz für Jemeniten-Pop entdecken. Singen dürfen sie also schon selber, sie dürfen auch Schauspielern, bloß die Filme machen - noch - die Weißen. Serge Meynard ist ein weißer Franzose, und er erhielt für seine neuen Beduinen den Cesar 1988: bester Nachwuchsfilm.
Ganz geschickt mischt er darin zwei Problem-Ebenen: Rassendiskriminierung, die rüttelt das schlechte Gewissen hoch oder weckt die Empörung, und Wohnungsnot, das kennt jeder. Und was passiert, wenn ein Schwarzer und ein Araber in Paris eine Wohnung suchen, kann man sich leicht vorstellen. Schlangestehen für in der Zeitung annoncierte Wohnungen bringt da gar nichts. Beziehungen müßte man haben, und die versprechen sich Denis und Raschid von ihrer Bekanntschaft mit Virginie, die wie ein Glücksengel im Film auftaucht, denn in ihrer Gestalt scheinen sich all ihre Wünsche trefflich zu vereinen.
Neben einer Wohnung sind sie nämlich mindestens so dringend auf der Suche nach einer Frau. In hurtigem Tempo werden alle Verwicklungen vorgeführt, zu der diese schwierigen Bedürfnislagen führen können, untermalt mit viel und lauter Musik. Es gibt ein ewiges Hin und Her, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, daß die Grundidee sich doch auf Dauer verbraucht. Eine der schönsten Ideen wird ohnehin schon zu Anfang des Films verschossen, das „System Raschid“: Es basiert auf der theoretischen Erkenntnis, daß die Rassendiskriminierung nur überwunden werden kann, wenn der Ruf der weißen Franzosen mit allen Mitteln ruiniert wird. Praktisch funktioniert es so, daß zwei weiße Underdogs Frauen belästigen, ein Farbiger als Retter auftaucht und nun seinerseits die Frau belästigt mit seinem aufdringlichem Charme, den er für unwiderstehlich hält. Dramaturgisch geschickt werden so die blacks und beurs der Rolle der Unfehlbaren enthoben. Das naive Balzverhalten der Männer in diesem Film mag durchaus der Realität entsprechen, mir ging es alsbald nur noch auf die Nerven. Einfach gut sind dagegen Meynards Stereotypen der rassistischen Weißen, die ihre Habseligkeiten wegschließen, wenn die beurs zu Besuch kommen.
Das macht die „Beduinen von Paris“ zu einem dieser sympathischen Underdog-Filme, gegen die man einfach nichts haben darf - und auch nicht haben muß. Er tut keinem richtig weh, und wer es unbedingt braucht, kann danach sogar noch sagen, er sei mal wieder bei der guten Sache dabeigewesen.
Lutz Ehrlich
Serge Meynard, „Die Beduinen von Paris“, mit Pascal Legitimus, Smain, Julie Jezequel, 92 Min., Frankreich 1987
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