: Das State Department probt den Aufstand
■ Die Iran–Krise zieht ihre Kreise / Shultz Vize fordert das Weiße Haus in ungewöhnlich harten Worten auf, den entstandenen Schaden zu beheben / Los Angeles Times spricht von „offener Revolte innerhalb der Regierung“
Berlin (wps/taz) - Der Bann des großen Kommunikators scheint endgültig gebrochen. Nach Reagans letzter Pressekonferenz, wo er stotternd und nach Fakten ringend das erste Mal in seiner Amtszeit den rauhen Wind des amerikanischen Journalismus zu spüren bekam, mußte er am Montag heftige Kritik von seinem Vize– Außenminister John Whitehead hinnehmen. Der Adlatus von Außenminister Shultz hatte das „Weiße Haus“ aufgefordert, den durch den geheimen Waffen–Deal mit dem Iran entstandenen Schaden zu beheben. Außerdem bestritt er Reagans Behauptung, Teheran würde Terroristen nicht mehr unterstützen. In einer von der Tageszeitung Los Angeles Times als „offene Revolte“ in der US–Regierung beschriebenen Rede vor dem außenpolitischen Ausschuß des Repräsentantenhauses erklärte Whitehead, er fände es betrüblich, mit seinem Präsidenten nicht übereinzustimmen, aber er sei sich sicher, daß es begründete Hinweise für eine Zusammenarbeit des Irans mit Terroristen gäbe. Abschließend forderte Whitehead, daß die Arbeit des Sicherheitsrats stärker kontrolliert werden müsse. Der Vize–Außenminister spielte damit auf die Tatsache an, daß der Sicherheitsrat unter Poindexter in der Iran–Affäre weitgehend auf eigene Faust gehandelt hat. Mit der ungewöhnlich heftigen Kritik an Reagan setzt sich Shultz gegen die vor allem von Reagans rechten Freunden aus Kalifornien lancierten Angriffe zur Wehr. Ihm wird vorgeworfen, Reagan nicht gut genug beraten zu haben, obwohl gerade die Vertreter der „Freunde Reagans“ in der Regierung, Sicherheitsberater Poindexter und Stabschef Regan, das Waffengeschäft gepuscht hatten. Trotz des Debakels erklärte Reagan nach einem Treffen mit seinen wichtigsten Beratern am Montag, er werde niemanden „feuern“, bestand aber auch darauf, keinen Fehler gemacht zu haben. Doch die enttäuschten Reagan–Fans lassen sich mit solchen nichtssagenden Erklärungen nicht länger abspeisen. Die empörten Gemüter wollen Köpfe rollen sehen. Die Frage ist nur, wer gehen muß. Poindexter und Regan sind die ersten auf der Liste. Vor allem für Vize–Präsident Bush kommt die jetzige Regierungskrise sehr ungelegen. Obwohl Bush das Waffengeschäft mit dem Iran unterstützte, ist er jetzt eifrig bemüht, nicht in die Schlammschlacht hineingezogen zu werden, da seine Präsidentschaftskandidatur auf dem Spiel steht. Währenddessen berichtete das „Wall Street Journal“ am Montag unter Berufung auf amerikanische Geheimdienstkreise, ein Teil der Waffenlieferungen an den Iran sei für afghanische Rebellen bestimmt gewesen. Die iranischen Verantwortlichen hätten eingewilligt, den Rebellen hundert von den an den Iran gelieferten 2.008 US–Panzerabwehrraketen des Typs TOW zu übergeben. Doch sei es nicht sicher, daß die Rebellen die Waffen tatsächlich erhalten haben. Poindexter, der den Waffen–Deal eingefädelt hatte, soll gegenüber Kongreßmitgliedern erklärt haben, daß mit der Operation unter anderem ein neuer Nachschubweg für die afghanischen Rebellen geschaffen werden sollte. Die Nachschubwege über Pakistan und China seien überlastet. Die USA befürchteten, daß die sowjetische Druckausübung Pakistan in Zukunft von einer Hilfeleistung auf diesem Gebiet abhalten könnte.
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