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Das SchlaglochKruzifix nochmal!

Kolumne
von Georg Seesslen

Religionskonflikte sind immer auch Indizien für kulturellen Zerfall. Der wird sich ohne bindenden Vertrag zwischen Religionen und Gesellschaft fortsetzen.

Die Zugspitze: Mit Postkartenschnee und einem religiösen Symbol. Bild: dapd

berall, wo Gesellschaften ökonomisch und kulturell zerfallen, entwickeln sich Spannungen und Konflikte zwischen den Religionsgruppen. Hinterher mag man sich fragen: Erzeugt die Hinwendung zu religiösem Fundamentalismus, als letzter und radikalster Form von Identitätspolitik, die Gewalt, oder erzeugt die soziale Gewalt, die große Teile der Bevölkerung erleben, eine Flucht in die Religion?

Klar ist nur: Wer Religion als Rekonstruktionsmittel einer angeknacksten Persönlichkeit und eines zerfasernden Kollektivs braucht, benötigt auch einen Gegner. Ist also möglicherweise jede Form von religiöser Verdichtung und Veräußerlichung ein Vorzeichen von Gewalt? Kann zu viel Religion den Rechtsstaat gefährden?

Die Sache beginnt mit kleinen, grotesken Episoden: So zeigt ein Werbeprospekt für arabische Touristen in diesem Jahr die Zugspitze ohne Gipfelkreuz, woraufhin ein Weihbischof namens Wolfgang Bischof öffentlich den Eindruck rügte, „man wolle die religiösen Wurzeln Bayerns verleugnen“. Nett war die entschuldigende Begründung der Tourismusfachleute, die in aller Unschuld verkündeten, für Besucher aus den arabischen Ländern stehe nun mal eben der Schnee auf der Zugspitze im Vordergrund.

Niederträchtige Anwürfe

Die meisten Symptome der neuen religiösen Blasen, die unsere Gesellschaft schlägt, sind nicht so lustig. Vor Jahr und Tag gab es eine Auseinandersetzung um Kruzifixe im Schulzimmer, dann kamen Thilo Sarrazins niederträchtige Bemerkungen über die Herstellung von „Kopftuchmädchen“; dann sorgte ein inkontinenter Papst für Aufregung. Andernorts konnten Karikaturen des Propheten zum Lebensrisiko werden. Was erkennbar wird, ist der Wille zu kränken, und der Wille, gekränkt zu sein.

Bild: privat
Georg Seesslen

ist Publizist, Filmkritiker und Autor von mehr als zwanzig Büchern über das Kino. Zuletzt erschien von ihm und Markus Metz: „Bürger erhebt euch!“ (Laika Verlag).

Das Bild eines Papstes mit Pinkelfleck, über das sich die einen aufregen, zu dem die Gutdemokraten sich aber nur zu sagen beeilen, es sei geschmacklos, aber doch durch die kulturelle Freiheit gedeckt, ist einer der Versuche, die Belastbarkeit des Paktes zwischen Kirche und Demokratie auf die Probe zu stellen.

Während die Mehrheit in Deutschland zu gegenseitiger Mäßigkeit mahnt, ist sie zugleich mehrheitlich bereit, die Mitglieder des Kunstprojekts Pussy Riot in Moskau als Märtyrer der Freiheit zu akzeptieren; nur eine Minderheit stellt sich vor, was geschehen wäre, wenn die Performance im Kölner Dom stattgefunden hätte. Auch Blasphemie ist offensichtlich eine Frage des Zusammenhangs.

Aber es geht weiter. Auf der einen Seite steht ein sonderbares Urteil des Landgerichts Köln, das befand, die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen sei eine „strafbare Körperverletzung“, auch mit der Zustimmung der Eltern, da diese „nicht dem Wohl des Kindes entspreche“.

Kleiner Schnitt am Schniepel

Auf der anderen Seite sind die Ärzte bei einer Frau, Mitglied der Zeugen Jehovas, die unter ihren Händen verblutet, machtlos, da sie aus religiösen Gründen eine Bluttransfusion ablehnt. Das Wohl des Kindes einer Mutter, die vor seinen Augen stirbt, weil ihre verbohrte Religion eine einfache lebenserhaltende Maßnahme verbietet, wiegt also weniger als der kleine Schnitt am Schniepel?

Aber mit den hilflosen Versuchen einer Justiz, darauf zu reagieren, dass Religion fast immer ein Eingriff auch ins Körperliche ist, ein Symbol- und Ritenkrieg, der immer wieder mit den Grundlagen einer aufgeklärten Zivilgesellschaft in Konflikt geraten muss, ist es nicht genug.

Denn als die Bundesrepublik Deutschland noch ein vorwiegend von Christen bewohntes Land war, mit tolerierten, aber niemals als gleichwertig betrachteten Nischen für „Andersgläubige“ (so hieß das noch vor gar nicht allzu langer Zeit auf offiziellen Fragebögen), hielt man sich keineswegs an eine strikte Trennung von Staat und Kirche.

Im Gegenteil, eine sehr staatstragende Partei nannte und nennt sich christlich, die Kirchen waren in den unterschiedlichsten Gremien vertreten und sind es noch, und eine staatlich erhobene Kirchensteuer (etwas ziemlich Spezielles in unserem Land) alimentierte die beiden christlichen Kirchen für manches Gutes und für etliches weniger Gute.

Verzicht auf Missionierung

Mit anderen Worten: Die „Andersgläubigen“ kommen zwar in einen demokratisch-toleranten Staat, nicht aber in einen säkularen. Die Forderung nach ihrem freiwilligen Verzicht auf Präsenz im öffentlichen Raum muss daher als Demütigung empfunden werden. Innere „Religionskriege“ sind vorprogrammiert in einer Gesellschaft, die ihr Verhältnis zur Religion so lange Zeit in einem so wohlwollend diffusen Licht gehalten hat. Wer in einer demokratischen Zivilgesellschaft leben will, muss Religion daher demokratisieren und zivilisieren.

Die Voraussetzungen dafür liegen auf der Hand: Eine Verrechtlichung der Beziehung mit genauen Beschreibungen von Rechten und Pflichten. Eine „weiche“ Grenze der Belastung durch „Blasphemie“, insbesondere dort, wo es nicht um böse Absicht geht. Der Verzicht auf Missionierung. Das Verbot religiöser „Geheimgesellschaften“. Eine eindeutig mandatierte Institution als Ansprechpartner. Man kann die Liste verlängern; nichts davon ist zu viel verlangt.

Aber das Problem liegt tiefer. Die vielen Blasen, die auf der Oberfläche der Gesellschaft aufsteigen und von kommenden religiösen Konflikten künden, entstehen nicht zuletzt, weil die Zivilgesellschaft für ihre Mitglieder Sinn nicht mehr produzieren kann und will. So konkurrieren die Religionen nicht nur untereinander, sondern auch mit einer unter Ökonomisierung und Privatisierung zerfallenden Zivilgesellschaft.

So erschreckend die Einzelfälle sind: Sie besagen, dass es in dieser Gesellschaft kein Konzept dafür gibt, mit religiöser Vielfalt umzugehen. Es fehlt an einem demokratischen Grundvertrag zwischen den Religionen und der Gesellschaft, zwischen Kirchen und Staat. Und solange es den nicht gibt, wird es Kämpfe um Hegemonien und religiöse Hate Crimes geben. Und ein paar sehr alte/ganz junge Deutsche werden ihre schwarzbraune Suppe auf diesem Feuer kochen.

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46 Kommentare

 / 
  • WW
    Wolfgang Weege

    der kleine Schnitt am Schniepel ist Kindesmisshandlung!

     

    Einfach das Alter für Beschneidung auf mindestens 16 anheben, dann ist der Knabe alt genug, sich den Humbug zu verbitten - wahrscheinlich der Grund, warum sich Juden wie Moslems an viel jüngeren Knaben vergreifen.

     

    der kleine Schnitt am Schniepel? Von wegen! Es ist eine Zwangsrekrutierung und nicht wieder gut zu machen!

  • H
    Hansi

    Nun, andere haben es schon geschrieben, aber was soll's ich schließe mich an:

     

    Ein erwachsener Mensch hat das Recht zu verbluten, wenn er dies einer medizinischen Behandlung vorzieht, sei es aus religiösen oder sonstigen Gründen.

     

    Ein kleines Kind ist wehrlos und entscheidet sich nicht für eine grausames Ritual noch für oder gegen eine Religion.

     

    Es sind mittlerweile schon so viele Artikel von betroffenen Männern erschienen, die vom Leid der Beschneidung und ihren Folgen handeln, daß es mir unverständlich ist, wie der Autor verharmlosend von "kleinen Schnitt am Schniepel" schreiben kann. Ist die Beschneidung von Mädchen auch nur ein "kleiner Schnitt im Schritt"?

  • E
    Elvenpath

    Der Kommentar fängt gut an, und kippt an der Stelle mit der Beschneidung komplett weg, ins Unsachliche.

     

    Herr Sesslen hat eines nicht verstanden. Bei der Abwägung von dem Recht auf Unversehrtheit und dem Recht auf freie Religionsausübung kann das Wohl des Kindes den Ausschlag geben.

     

    Das heißt aber nicht, dass die Eltern verpflichtet sind, immer im Kindeswohl zu handeln, wenn es um sie selbst geht. Eine Trennung der Elternteile ist auch nicht im Kindeswohl, aber völlig legitim.

    Eine Mutter kann sich sehr wohl weigern, eine Bluttransfusion zu nehmen. Das ist ihr persönliches Recht für sich. Das Kindeswohl kann ihr dieses Recht nicht nehmen. Ein Arzt würde aber ein Kind nie sterben lassen, weil die Mutter die Bluttransfusion aus religiösen Gründen verbietet. Einer Mutter, die das hierzulande versucht, wird das Sorgerecht entzogen. Zum Kindeswohl.

     

    Und ich möchte Herrn Sesslen mal sehen, wenn ihn 4 kräftige Männer überfallen und ihn beschneiden würden, ob er dann auch noch von einem kleinem Schnitt am Schniepel spricht und auf eine Anzeige verzichtet.

     

    Und wer mal ein Video gesehen hat, wie ein Säugling beschnitten wird, wie der Kleine dabei vor Schmerzen mit aller Kraft schreit und etwas später regungslos in Schockzustand verfällt, der weiß, dass solche Verharmlosungen einfach nur widerlich und unlauter sind.

     

    Nach dem Einwurf mit der Beschneidung wird der gesamte Kommentar sehr wirr und lohnt einer genaueren Betrachtung nicht.

     

    Nur eines: Es gibt sehr wohl ein Konzept, wie man mit religiöser Vielfalt umgehen kann: Religion muss vollständig Privatsache sein und es darf keine Sonderrechte für sie geben.

  • D
    doppelell

    Opium? Die Stelle geht weiter: "Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks." Marx hat sich geirrt, oder die Katastrophe ist fortgeschritten. Von Glück kann keine Rede mehr sein. Religion ist das Crystal Meth der Völkischen. Nicht mehr die Illusion einer Opiumhöhle, sondern ein Wahn, der in die Hölle führt. Nicht der Glaube an eine Autorität ausserhalb der Welt, sondern die Unterwerfung unter die wirkliche Autorität. Die Deutschen auf "heiliger Mission" (Hitler). "Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod."

    Diese Tendenzen sind in der Religion angelegt, weil ihr Wesen die Unterwerfung unter ein irrationales Prinzip ist. Wer das anstößig findet, weiß, dass es wahr ist. Wer es blasphemisch findet, dem ist nicht mehr zu helfen. Wer in der Religion noch etwas gutes sehen will, der glaubt schon längst nicht mehr - er hofft. Hoffnung aber ist auf das Jenseits gerichtet. Die Verbrechen der Religion sind in uns, die Versprechen ausser uns.

    In der Krise tritt das Latente zutage. Dann zeigt sich, ob die Menschen gelernt haben, sich zueinander wie Menschen zu verhalten, oder ob die Zivilisation bloß eine Behauptung gewesen ist. Insofern - so verstehe ich Seesslen - die Hinwendung zur Religion das Eingeständnis der eigenen Sinnlosigkeit, weil die Religion der Wunsch nach Führung ist, weil sie Identität statt Autonomie will, weil die Religion den Krieg aller gegen alle in kriegsfähige Kollektive zusammenfasst, lässt sich an ihrer Bewegung ablesehn, wie es um die Frage: Zivilisation oder Barbarei?, bestellt ist.

    Religion ist die Flucht vor der Wirklichkeit in eine noch borniertere Wirklichkeit. Wir erleben die Regression. Darum ist es Unsinn, sein religiöses Unwesen mit der Aufklärung entschuldigen zu wollen. Die Aufklärung verlief in genau entgegengesetzter Richtung: Religionsfreiheit ist Freiheit von Religion.

  • J
    Jengre

    Ich hatte unaufmerksam gelesen und Seesslens Beispiel mit den Zeugen Jehovas falsch verstanden: So, wie er es schreibt, ist es absolut valide - allerdings ein starkes (und berechtigtes) Argument gegen Religionsfreiheit. Zur Verharmlosung von Beschneidungen taugt es nicht. Auch diese sind von außerhalb des Blickfeldes mitten in dieses gerückt, und verantwortungsloses Handeln von Zeugen Jehovas ist eben gleichfalls bisher nur ein schlafendes Thema.

  • N
    naseweiser

    Seesslen : "Es fehlt an einem demokratischen (!)Grundvertrag(!) zwischen den Religionen(!) und(!) der Gesellschaft(!), zwischen Kirchen und Staat. "

     

    Ein wirrer Kommentar und ein absurder Vorschlag .

    Man versuche doch mal , sich konkret vorzustellen ,

    w e r da mit w e m über w a s einen "Grundvertrag" abschließen soll . Ein solcher Vertrag , der dem Leben in einer immer noch offenen Gesellschaft ein Korsett anlegen soll . ist weder nötig noch möglich .

  • J
    Jengre

    Für Georg Seeslen hatte ich immer Respekt. Den hat er mal so eben völlig verspielt:

     

    a) Kein Arzt läßt Kinder von Zeugen Jehovas verbluten:

    http://www.ethikberatung.uni-goettingen.de/pdfs/leitlinie_sa_zj.pdf

    b) Mit dieser Behauptung Beschneidung zu relativieren und der Formulierung "kleiner Schnitt am Schniepel" verniedlichen zu wollen sind Ausweise einer intellektuellen Unlauterkeit und eines Mangels an Empathie gegenüber Säuglingen und Kindern. Seeslens Sorge um den Umgang mit religiösen Zwangsvorstellungen erscheint da einigermaßen unverhältnismäßig.

  • L
    lowandorder

    Beitrag, vor allem aber die Kommentare: ein Anflug von religionsgrundiertem Proseminar.

    Les ich als freigeistig Geprägter mit Schmunzeln und gelegentlichem Kopfschütteln und Schulterzucken.

     

    Beschneidung/Zeugen Jehovas: hier mehrfach zutreffend klargestellt.

    Es kann halt nicht jeder Recht, selbst wenn er's studiert hätte.

    In einer Patientenverfügung schließe ich auch ansonsten gebotenes ärztliches Handeln aus. Das sollte genügen.

     

    05.09.2012 16:06 UHR

    von vic antichrist:

    Wieso lese ich das eigentlich?

     

    Tja - keine Ahnung! - aber zu wissen, was man ablehnt, ist doch selbst für den gewöhnlichen Antichrist ein nicht zu unterschätzig-ender Fortschritt! - odr?

  • D
    deviant

    @D.J.:

     

    Eine solche Analogie muss nicht absolut korrekt sein, weil sie als abschreckendes Beispiel gemeint ist. Es geht darum, dass ein demokratischer Staat sich nicht erlauben sollte, einseitig religiöse Minderheiten zu unterdrücken, egal ob dieser Staat nun Iran, Israel oder Deutschland heisst - und alle drei nennen sich schließlich Demokratien.

     

     

    Die Hadithe und die Sunna sind wiederum nicht mit den Rechtsschulen vergleichbar, die die Salafisten ablehnen, sie sind eher mit den Evangelien vergleichbar, die ja im Grunde auch Überlieferungen Dritter sind, als mit kirchlicher Vermittlung. Hier gibt es das Problem, dass es im Neuen Testament soetwas wie das "Wort Gottes" nicht gibt, sondern Erzählungen und Korrespondenz Dritter. Insofern ist der Vergleich von Salafisten und Lutheranern meiner Meinung nach sehr treffend.

    Was die die Ablehnung des "Muslim-seins" angeht, so ist das eine Propaganda-Geschichte, die immer wieder innerhalb der muslimischen Gemeinschaft auftaucht. Gerade bei Richtungsstreitigkeiten kommt das immer wieder vor und sollte gesamtkontextuell nicht überbewertet werden.

     

     

    Was Khan angeht (selbst kein Muslim, die Mongolen und Turkvölker, die er anführte aber sehr wohl in der Mehrheit), so meine ich mich dunkel erinnern zu können, dass er Städten/Befestigungen, die er erobern wollte, einen Boten sandte, der ihnen die Möglichkeit eröffnete, sich zu ergeben - gab es am nächsten Tag noch keine Kapitulation, wurde die Stadt bis auf die Grundmauern geschliffen und alle Einwohner getötet.

    Kann aber auch sein, dass da gerade etwas durcheinander geht.

  • KB
    Karin Bryant

    Wir brauchen keinen Interreligioesen Vertrag, alle Menschen die in D leben müssen sich an das Grundgesetz halten und es fuer sich akzeptieren ohne Ausnahme oder Sonderregelung.Es geht nicht an dass jede Religionsgruppe sich aussuchen kann

    Welchen Teil der deutschen Gesetze sie akzeptieren.Das GG gilt für alle oder garnicht.

    Wer das aus welchen Gründen auch immer nicht akzeptieren kann oder will dem steht

    es frei D zu verlassen.

    Religon muss zur Privatsache erklaert werden denn sonst wird der Unfrieden weiter Anwachsen.

  • F
    FaktenStattFiktion

    @Luise

    Sie haben das Prinzip erkannt:

    "Böse" Antisemiten werden als Vorwand genutzt, um (absolut ekelhafte) Parteien verbieten zu lassen.

     

    "Gute" Antisemiten sind grundsätzlich "nur" Antizionisten und über "legitime" Kritik.

     

    Muslimischer Antisemitismus wird in einem Schwall von abgestandener Rhetorik zum "interreligiösen Dialog" ersäuft, um ja nicht die (positiven) Vorurteile über Muslime einer echten Diskussion auszusetzen. Dazu noch etwas „Kruzifix“ und „Zeugen Jehohas“ – fertig ist die mediale Nebelkerze.

     

    Wir haben zwei Diktaturen in Folge erlebt – das sollte reichen um endlich eine wirklich freie Meinungsäußerung zu verlangen. Die Realität freilich ist die mediale Hetze gegen einen Dr. Sarrazin, wenn dieser sachlich unangreifbare Fakten benennt.

  • F
    FaktenStattFiktion

    @deviant

    Sie hätten sicherlich etwas anderes erwartet – und mehr noch, erhofft.

    Kein Wunder, wenn Sie sich auf den Reformator und Bibelübersetzter Martin Luther berufen müssen um nur ja die anachronistische Religion des Islam mit dem aufgeklärten Christentum vergleichen zu können.

    Ich gestatte mir, Sie auf die Zeit des Reformators Luther hinzuweisen: Gestorben am 18. Februar 1546 – ein halbes Jahrtausend vor dem realen Irrsinn des gegenwärtigen Islams.

    Scheinbar ist Ihnen auch entgangen, woraus sich denn die christliche Religion speist. Das sind mannigfaltige Einflüsse, gegründet allerdings auf absolut jüdischen Traditionen und Geschichten. Gut Sie mögen vom jüdischen Tanach wenig gehört haben, aber der gebildete Leser kennt die Ursprünge des AT.

    Europa beginnt in Jerusalem, Europa beginnt im Griechenland der Antike. Das können Sie selbstverständlich leugnen- nur ändern können Sie es nicht.

    Europa ist auch ein Kontinent, welcher Antisemitismus erlebt hat. Selbstredend – und der starke jüdische Glaube hat überlebt. Nicht wegen der Shoa durch die Nazis, dem üblichen „linken“ Antisemitismus und dem muslimischen Antisemitismus, sondern trotzdem. Wobei selbst die feuchten atomaren Träume eines iranischen Theokraten den jüdischen Geist der Freien Welt nicht auslöschen könnten. Dieser Geist gebar 15 v.H. aller Nobelpreisträger – dabei stellen die Juden kaum 0,3 v.H der Weltbevölkerung. Wir atmen diesen Geist des Wissen. Überwiegend zumindest…

    Sie kennen sich mit dem Satanismus nicht aus – kein Problem. „Tu was Du willst“ war die verkürzte Fassung eines der bekanntesten Satanisten. Nicht wirklich kompatibel zur Herrschaft des Volkes, verbrieften Rechten und jeder Form des gesellschaftlichen Austausches, gelle?

    Der Islam akzeptiert den Staat nur dann, wenn dieser sich um die Religion herum schmiegt ohne eigene Ansprüche auf theologisch beanspruchte Bereich zu stellen.

    Entsprechen diese abstrusen und anachronistischen Ansichten der christlichen Kirche oder werden (als Gast in fremden Kulturen) frech eingefordert? Nein!

    Zum Humanismus: Christliche Kirche und Aufklärung vertragen sich hervorragend. Seit der Renaissance befruchten sich Kirche, kirchliche Sozialvorstellungen und Humanismus gegenseitig. Fünf Jahrhunderte – welche dem Islam offenkundig immer noch fehlen. Und Deutschland ist definitiv kein Säkularer Staat. Sonst könnten wir ja den Geist der Kopftücher aus unseren Schulen verbannen, ohne deswegen das Gekeife bigotter Politiker ertragen zu müssen.

     

    Sie schreiben, ich als Mann wolle theokratische Staaten in Europa? Sie sollten überlegen, ob ich nicht vielleicht eine Frau bin welche die Bevormundung der Frauen in vergangener Zeit nicht auch in der Zukunft befürchten muss. Selbst der radikalste Prediger aus dem Bibel-Belt ist für unsere jüdisch- christlich- humanistische Gesellschaft nicht ansatzweise so gefährlich wie die Muslime und deren steinzeitlicher Religionsansatz.

     

    Kultur ist, wenn der Nachbar einen Kopf abschlägt um daraus eine Vase zu basteln. Zivilisation ist, wenn er dafür in das Gefängnis geht. Ich bin dezidiert ein Freund unserer Kultur und Zivilisation. Unserer jüdisch- christlich- humanistischen Kultur und Zivilisation.

  • NF
    Norbert F. Schaaf

    Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten - über Religion tunlichst auch nicht. Daher das strikte Prinzip der Trennung von Staat und Religion. Dazu Religionsfreiheit - aber auch Meinungsfreiheit. Kirchensteuern ja - aber nicht durch Einzug von staatlichen Finanzämtern, sondern nur von den Gläubigen durch ihre kirchlichen Organisation selbst. Religion muss aus staatlichen Institutionen strikt herausgehalten werden. Warum das noch nicht so ist? Die Mächtigen dieser Welt würden ihre Macht hergeben oder zumindest teilen müssen - ebenso das damit zuhängende Vermögen an Geld, Finanzmitteln usw. Also: eine Utopie. Auch in der Demokratie, weil die Menschen ja genau durch Religion und Kapital dumm gehalten werden.

  • D
    D.J.

    @deviant,

     

    wir kommen uns etwas näher (obwohl es Timur Lenk/Tamerlan war, unter dem übrigens auch viele seiner Mit-Muslime zu leiden hatten; Dschingis war alles andere als ein Muslim).

     

    "Deutschland darf sich nicht als "jüdisch-christlich" phantasieren, sondern als der aufgeklärte demokratisch-humanistische Staat, der einmal angedacht war und der keinen Menschen wegen seiner Religion diskriminiert und der Platz hat für alle Menschen, die sich an seine Regeln halten:"

     

    Völlig einverstanden.

     

    "(gerade das macht man Muslimen dadurch nicht unbedingt leichter, wenn man sie dauerhaft ideologisch und gesellschaftlich ausschließt und einen auf zentraleuropäisches Saudi-Arabien macht)"

     

    M.E. eine extreme Verharmlosung Saudi-Arabiens.

     

    "Wenn ich von "steinzeitlichen Salafismus" lese, könnte ich jedesmal die Stirn gegen die Tischplatte schlagen. Salafismus ist der Lutherismus des Islam, er sagt sich von der Kirche als Übermittler los."

     

    Nicht vergleichbar. Die Salafisten sagen sich ja nicht von der außerkoranischen Überlieferung los (Hadithe, Sunna). Die wenigen Nur-Koraner, die eher mit den Protestanten zu vergleichen sind, werden von den Salafisten als Nicht-Muslime verunglimpft.

  • D
    deviant

    @D.J.:

    Ohne nun genauer darauf eingehen zu wollen, stellt sich die Frage, inwiefern das meine Argumentation real unterläuft. Sie spezifizieren hier die von mir eher plakativ gewählten Zusammenhänge (auch als die Kreuzritter Jerusalem einnahmen, wurden Juden wie Muslime gleichermaßen abgeschlachtet), ohne sie grundlegend zu widerlegen. Und ob nun die Zeit der römischen Besatzung Judäas nicht in die Kategorie europäischer Pogrome fällt, sei auch mal dahingestellt.

    Es gibt über die Jahrhunderte hinweg eine mindestens tendenziell höhere Toleranz des Islams gegenüber dem Judentum als des Christentums. Die "Jesusmörder" waren deutlich weniger geachtet, als die "ahl al-kitab".

    Wenn wir von Kultur oder Gesellschaft sprechen, gibt es keine christlich-jüdische Kultur, Einfluss hatte das Judentum dagegen durchaus auf den Islam, nicht nur im beispielhaft herausragenden al-Andalus.

     

    Genau genommen gibt es im Islam historisch so etwas wie "Antisemitismus" gar nicht - was nicht heisst, dass es nicht religiösen oder politischen Fanatismus gegen Juden gegeben hat (Djingis Khan, als Negativbeispiel hat, soweit ich mich erinnere, ganze Städte bis auf den letzten Bewohner niedermetzeln lassen, wenn sie sich nicht ihm und dem Islam unterwarfen). Und auch wenn sich nach hundert Jahren "Okkupation" der tief verwurzelte Antizionismus (wer kann den Antizionismus der Araber schon ernsthaft verurteilen) langsam in echten Antisemitismus wandelt, selbst Achmadinejad umgibt sich weiterhin gern mit orthodoxen, antizionistischen Juden. Der steht "intellektuell" eben doch über prügelnden deutschen Muslimen, die sich an den deutschen Antisemitismus assimiliert haben, und die Gewalt, die ihnen entgegenschlägt, an Juden "weiterreichen".

     

    Das Problem ist, dass die Kirchenoberen immer von der Radikalisierung der Parteien profitieren. Wenn sich Islamhasser plötzlich als Christen definieren, gehen sie vielleicht auch wieder in die Kirche, wo sie vorher noch nie gewesen sind; Muslime, die sich hier nicht akzeptiert fühlen, finden in der Moschee eine Heimat und die Juden, naja, die sind irgendwie immer die Dummen, jedenfalls in Europa. Und wenn sie dann öffentlichkeitswirksam behaupten können, sich mit Kippa nicht mehr aus dem Hause zu trauen, zementiert selbst das perverserweise den Einfluss der Theokraten.

    Gerade deshalb müssen die Theokraten entmachtet und die Gesellschaft säkularisiert werden: Die Wölfe dürfen nicht den Schäfer wählen.

     

    Deutschland darf sich nicht als "jüdisch-christlich" phantasieren, sondern als der aufgeklärte demokratisch-humanistische Staat, der einmal angedacht war und der keinen Menschen wegen seiner Religion diskriminiert und der Platz hat für alle Menschen, die sich an seine Regeln halten (gerade das macht man Muslimen dadurch nicht unbedingt leichter, wenn man sie dauerhaft ideologisch und gesellschaftlich ausschließt und einen auf zentraleuropäisches Saudi-Arabien macht).

     

     

    PS: Wenn ich von "steinzeitlichen Salafismus" lese, könnte ich jedesmal die Stirn gegen die Tischplatte schlagen. Salafismus ist der Lutherismus des Islam, er sagt sich von der Kirche als Übermittler los und beruft sich auf die Schrift. Christen nennen das "evangelisch". Das viele Salafisten andererseits steinzeitliche Vollidioten sind, ist dadurch nicht widerlegt - die Katholiken haben sich jedoch auch einen Exorzisten zum Papst gewählt, Evangelikale in den USA zwangsverheiraten kleine Mädchen in Vielehen. Andere Protestanten lehnen jede Form moderner Technologie ab. Diese Form der Idiote ist kein salafistisches, sondern ein religiöses Problem.

  • K
    Klawitter

    Notwendig ist, endlich konsequent die Trennung von Kirche und Staat umzusetzen sowie eine humanistische Aufklärung/Bildung und eine von sämtlichen Kirchen und Religionen ungebundene Ethik zu vermitteln, deren Inhalte wahrhaft freiheitlich wie demokratisch sind - also das gegensätzliche Prinzip von Kirche und Konsorten vertreten.

  • VA
    vic antichrist

    Wieso lese ich das eigentlich?

  • S
    Sven

    Der Artikel beginnt mit einer schrillen These: „Überall, wo Gesellschaften ökonomisch und kulturell zerfallen, entwickeln sich Spannungen und Konflikte zwischen den Religionsgruppen.“ Nota bene: Ganz apodiktisch heißt es da „überall“, also immer, unter allen Umständen, in allen Epochen. Beispiele für dieses „überall“ bleibt der Autor leider schuldig, ebenso wie eine taugliche Begründung für seine gewagte Behauptung. Es wäre einer kritischen Nachfrage wert, ob islamistischer Fundamentalismus tatsächlich von ökonomischem Zerfall begleitet ist. Oder ob die Glaubenskriege des 17. Jahrhunderts wirklich mit kultureller Dekadenz einhergingen. Oder ob das so sein soll, weil der Autor es eben so sehen will...

    Denn schon im nächsten Satz fährt er mit ebenso weitreichenden Folgerungen, als Alternativen formuliert, fort:

    Der kulturelle Zerfall rufe die äußerste Form von Identitätspolitik hervor, und das sei religiöser Fanatismus. Der ökonomische Zerfall andererseits erzeuge die „soziale Gewalt“, ein reichlich diffuser Begriff ohne nähere Erläuterung, vor der die Menschen in die Religion „flüchten“. Da nach marxistischem Dogma das Bewusstsein ausschließlich durch die ökonomischen Verhältnisse erklärt werden darf, kann also auch Religiosität nur als hierdurch induziert begriffen werden. Religion also als „Opium“ des armen Volks. (Bin Laden war Multimillionär...)

    Dieser Gedanke wird im Artikel allerdings nicht weiter verfolgt, stattdessen verlegt sich der Autor auf die Funktion der Religion als sozialer Kitt. Dafür werde, was einleuchtend ist, ein Gegner gebraucht, was wiederum zu Gewalt führe. Zwar als Frage formuliert, enthält die These aber auch eine subtile Warnung: „Jede Form von religiöser Verdichtung und Veräußerlichung,“ heißt es da in wiederum unumstößlichem Duktus, könne Vorzeichen für Gewalt sein und den Rechtsstaat gefährden. Ob dies auch für solche Weltanschauungen gilt, die – jedenfalls aus herkömmlicher Sicht – nicht religiös verfasst sind, blendet der Artikel leider aus: Interessant, ob nicht auch die Figur des „Klassenfeinds“ eine wichtige Funktion für den Zusammenhalt der Ostblockgesellschaften hatte...

     

    Hier geht der Artikel aber zum zweiten Teil über: Nach dieser „argumentativen“ Vorarbeit kann nämlich nun „jede Form“ von öffentlichen Diskussionen über Religion, so geringfügig sie auch scheinen mag, als Vorzeichen drohender Glaubenskriege gedeutet werden. Der Gefahr, sich der Lächerlichkeit preiszugeben, begegnet der Autor mit dem vielsagenden, vorangestellten Hinweis, die Sache beginne ja wohl zunächst im Kleinen. Der Artikel zählt auf (ohne auf den inneren Zusammenhang der einzelnen Punkte näher einzugehen): den Skandal um das aus falsch verstandener Toleranz wegretuschierte Garmischer Gipfelkreuz, die Querelen um die Schulkreuze, Thilo Sarrazin und die öffentliche Schmähung des Papstes durch ein „Satire“ - Magazin.

    Es gebe eine Lust daran, zu kränken und sich gekränkt zu fühlen. Leider bleibt uns der Autor auch schuldig, wer gekränkt wurde und wer sich nur so fühlt...

    Schnell soll klar werden: wo Religion öffentlich thematisiert wird, sei die Folge davon Gewalt. Schließlich, so der Autor, sei Religion ja „fast immer“ auch ein „Symbol- und Ritenkrieg“. Das Verhältnis von Gesellschaft und Religion gestalte sich in Deutschland zudem diffus, wird schließlich festgestellt. Interessant an dieser Behauptung ist allerdings nur, dass der Autor offensichtlich einen grundsätzlichen Unterschied zwischen diesen beiden Sphären konstruieren möchte. Dürfen Religionen nicht mehr Teil der Gesellschaft sein? Dürfen die Menschen mitsamt ihren verfassungsrechtlich geschützten Überzeugungen nicht als Teil der Gesellschaften gelten? Sollen, wie der Autor vorschlägt, die Religionen tatsächlich in (staatlich) mandatierte Institutionen überführt werden? Und vor allem: Ist ein Staat, der die religiösen Überzeugungen seiner Bürger aus dem öffentlichen Raum verdrängen will, tatsächlich noch weltanschaulich neutral?

    Der Autor zeigt sich hierbei unfähig, das Phänomen der Religiosität anders aufzufassen denn als Mittel politischer Gruppenintegration oder als Ausflucht vor drängenden sozialen Problemen. Die persönliche religiöse Überzeugung, wie sie der Idee der Glaubensfreiheit zugrunde liegt, kommt weder in seinem Weltbild noch im vorliegenden Artikel vor. Religion hat darin eine ausschließlich politische Dimension und birgt immer auch ein zumindest latentes Gewaltpotential. Daher ist die Religion kein Teil der Gesellschaft, vielmehr muss die Gesellschaft vor der Religion geschützt werden. Der Autor verkennt völlig, dass Religion ein Teil der pluralistischen Gesellschaft bleiben muss, und dass man auch religiöse Themen öffentlich diskutieren darf, ohne neue Glaubenskriege aufziehen zu sehen. Ein Staat, der seine Bürger zwingt, in öffentlichen Diskussionen ihre persönlichen Glaubensüberzeugungen zu verleugnen, ist mitnichten weltanschaulich neutral.

    Im letzten Satz kippt schließlich die Qualität des Artikels freilich von schwach auf bodenlos. Alles wird hier nun auf einmal undifferenziert in eine „Suppe“ geworfen: Religionen, so kann man die Anspielung verstehen, sind sowieso latent faschistoid. Der Begriff „schwarzbraun“ lässt auf eine Allianz zwischen Kirche und Neonazis schließen. Hunderttausende von Priestern und Ordensleuten wurden von den Nazis verfolgt.

    Denken Sie mal darüber nach...

  • R
    Ralf

    Die Verharmlosung von Grausamkeiten, zeigt den moralischen Verfall, den die jahrhundertelange kirchliche Gehirnwäsche verursacht hat. Man kann nur hoffen, dass der Gefahr durch blinden Glauben endlich entschlossen entgegengetreten wird.

  • D
    D.J.

    @deviant

     

    "Das Christentum war stets (übrigens im Gegensatz zum Islam) antisemitisch. Als die Christen in der "Rekonquista" in Spanien einfielen (ja, jene Rekonquista, auf die sich heute die Islamhasser wieder beziehen), schlachteten sie Muslime und Juden gleichermaßen ab; ..."

     

    Verehrter @Deviant, schade, dass ihre durchaus in einigen Bereichen vorhandene Sachkenntnis durch bedauerliches Halbwissen in anderen Bereichen geschmälert wird.

    1. Der gelbe Fleck, den Juden zu tragen hatten, ist eine muslimische Erfindung (soweit ich mich erinnere, in Spanien zuerst eingesetzt, lässt sich aber leicht ergoogeln).

    2. Die ersten eropäischen Pogrome fanden im 11. Jh. im islamischen Spanien statt (übrigens waren mittelalterliche Judenpogrome durch Muslime häufig eine Angelegenheit der Obrigkeit, während die Bevölkerung hier eine weit geringere Rolle spielte als bei christlichen Pogromen).

    3. Das relativ (!) tolerante al-Andalus des 8. bis 11. Jh. wich unter den Dynastien der Almohaden und Almoraviden einer starken Intoleranz. Im 13. Jh. flohen Juden in den christlichen Norden.

    4. Was die Entwicklung ab Ende des 15. jh. betrifft, ist Ihnen Recht zu geben.

  • S
    St.Nikolaus

    Ganz Europa im Verfall?

     

    Nicht ganz Europa: Ein kleines Dorf in Sachsen stemmt sich gegen Islam, Unesco und die Evangelen: An der Waldschlößchenbrücke in Dresden soll eine St.-Nepomuk-Figur aufgestellt werden - ein Geschenk des Bistums Dresden-Meißen an die gottlosen Ossis und Symbol des katholischen Widerstands gegen Aushöhlung des Datenschutzes.

     

    Es gibt also noch Hoffnung.

  • S
    seltsamurai

    Natürlich kann und will die Zivilgesellschaft noch Sinn produzieren, sie ist bloß überfordert. Vielleicht sollte der Autor zumindest in Betracht ziehen, dass wir es hier nicht mit Problemen der Ökonomisierung und Privatisierung zu tun haben - das würde ja auch implizieren, dass das gemütliche Postnazideutschland der 60er irgendwie effektiver Sinn für die heutige Gesellschaft stiften könnte - sondern dass die Zivilgesellschaft mit dem Versuch scheitert, zwischen derart unterschiedlichen Positionen und Lebensentwürfen mehr als auch nur einen Minimalkonsens herzustellen.

     

    Es verblüfft mich schon ein Bisschen, dass der Autor in der Lage ist, einen ganzen Artikel über "kulturellen Zerfall" zu schreiben, ohne auch nur mit einem Wort auf Multikulturalismus einzugehen. Man verstehe das jetzt bitte nicht als rechte Agitation, denn ich denke dass die Vorteile des Multikulturalismus überwiegen. Mir scheint es aber völlig offensichtlich, dass aus einem Ansatz, welche die Koexistenz möglichst vieler unterschiedlicher kultureller Entwürfe zu fördern sucht, das Problem einer kulturellen Zersplitterung entsteht, und eben nicht aus der "Ökonomisierung und Privatisierung" der Zivilgesellschaft.

  • AG
    Anton Gorodezky

    Zum Schnitt am Schniepel - verblutende Zeugin Jehovas Beispiel:

    Das ist eben der Inhalt der Religionsfreiheit: an sich selbst darf man damit allerlei Blödsinn machen lassen, ncht aber an anderen. Wie sähe es aus, wenn der sechsjährige Sohn eine Bluttransfusion bräuchte und die Eltern, mit Hinweis auf ihre Zeugenschaft Jehovas diese Behandlung ihres Kindes ablehnen?

     

    Außerdem finde ich "kleiner Schnitt am Schniepel" verharmlosend.

  • P
    Peter

    Ein großer Fortschritt wäre es ja schon einmal, wenn endlich die Trennung von Staat und Kirche durchgesetzt werden würde. D.h., die Religionsgemeinschaften ziehen ihr Geld von ihren Anhängern selber ein, der Religionsunterricht verschwindet aus der Schule, anstatt jetzt auch noch zu allem Überdruß Islamunterricht einzuführen. Na ja, und dann - warum müssen in Ethikkommissionen Kirchenleute drinsitzen?

  • I
    Ingo

    Oh je, eigentlich fing der Artikel ja recht gut an. Den Hinweis auf den "Willen, gekraenkt zu sein", finde ich richtig. Ich denke, dieser ist auch der wichtigere Punkt. Irgendwelche Idioten, die bewusst kraenken wollen, wird es naemlich immer geben. Wenn man sich aber nicht kraenken laesst, sind diese machtlos.

     

    Beim Beschneidungsthema versagt der Autor leider argumentativ. Zum einen finde ich die Verwendung des Euphemismus "kleiner Schnitt am Schniepel" unangemessen. Der Eingriff ist eben nicht 100% risikolos, sondern kann fuer den Betroffenen in einer erheblichen Schaedigung resultieren. Zum anderen misslingt der Vergleich. Genauso selbstverstaendliche wie die Zeugin Jehovas Behandlungen verweigern kann, kann sich auch jeder Mann beschneiden lassen. Der passendere Vergleich waere, dass Eltern aus regligioese Grunden eine notwendige Behandlung ihres unmuendigen Kindes verweigern. Und ich bezweifle (bzw. hoffe nicht), dass dies moeglich ist.

     

    Ansonsten stimme ich zu, dass dieser Staat laizistisch umgebaut werden sollte.

  • BF
    brain freeze

    Religionskonflikte in Phasen des ökonomischen und kulturellen Verfalls? Griffige These - aber stimmt sie?

     

    Religionskonflikte gab es auch in prosperierenden Phasen (Deutschland: Industrialisierung, Staatswerdung, Gründerzeit -> Kulturkampf), in emanzipatorischen Phasen (Beginn der Neuzeit, Reformation - zugleich religiöser Antisemitismus).

     

    Viel Show - wenig Substanzielles.

  • L
    Luise

    Schnell reagiert! Da werden ein paar Juden in Deutschland angegriffen, und zwar nicht von denen, die "schwarzbraune Suppe kochen". Und schon kräht es aus der taz nach "demokratischem Grundvertrag zwischen den Religionen" und einigen unspezifizierten Vorwürfen gegen die christlichen Kirchen und ihre Verquickung mit dem Staat. Als ob dies auch nur ein Jota zu den "Spannungen und Konflikten" beigetragen hätte. Was für eine Blindheit!

  • D
    deviant

    @FaktenStattFiktion:

     

    Von jemandem mit einem solchen Namen hätte ich deutlich mehr erwartet - allerdings heissen ja auch die nordkoreanischen Propagandaprogramme "Nachrichten"...

     

     

    » Die Religionen haben sich schlicht dem Volk und dessen verbrieften Rechten und Vorstellungen zu fügen - dann, und nur dann, kann und darf diese Religion in unserem judisch-christlich-humanistischem Staat eine Berechtigung haben.«

    Schon dieser Satz blökt die ganze Ignoranz ihrer "Geistes"-haltung in die Welt hinein.

     

    Da wäre zunächst einmal das "jüdisch-christliche". Europa ist nicht jüdisch geprägt, es ist antisemitisch geprägt; begonnen beim "Jesusmörder", über den "Brunnenvergifter" hin zur "jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung". Das Christentum war stets (übrigens im Gegensatz zum Islam) antisemitisch. Als die Christen in der "Rekonquista" in Spanien einfielen (ja, jene Rekonquista, auf die sich heute die Islamhasser wieder beziehen), schlachteten sie Muslime und Juden gleichermaßen ab; die kulturell und wissenschaftlich reichste Epoche Spaniens endete, die spanischen Juden verteilten sich in der gesamten muslimischen Welt, um vor den Christen sicher zu sein.

     

    Und dann auch "christlich-humanistisch"...Herr Gott, der Humanismus ist antichristlich!

     

    Dann die Verbindung "christlicher Staat". Deutschland ist per definitionem ein säkularer Staat, kein christlicher. Ein Verdienst der Aufklärung, die die Kirche erbittert bekämpft hatte.

     

    Dass sie überhaupt nur gegen Andergläubige hetzen "Satanisten und Muslime", zeigt, worum es wirklich geht, nämlich darum um in Europa wieder theokratische Gottesstaaten zu etablieren, in denen Bischöfe statt den Bürgern regieren. Und das, Herr FiktionstattFakten, ist nicht nur erbärmlich, es hat schlicht keinen Platz in einem demokratischen Rechtsstaat.

  • T
    Teermaschine

    Nichts weniger als der Griff nach den Sternen!

     

    Darunter macht es die taz nicht. Und das profane Kleinklein überlässt man gerne dem fantasiearmen Fußvolk. Das gilt für die Euro-Krise, der man am liebsten mit der Abschaffung der nationalstaatlichen Souveränität begegnen würde, wie für die Vereinbarkeit von Staat und Religion, die in einem Grundvertrag (wer verhandelt denn da mit wem über was?) festgelegt werden soll. Wie soll das gehen?

  • T
    tim

    @ stimme der demokratie

     

    ja. so ziemlich auf jede religion.

  • S
    simona

    An zwei Stellen hinkt die Argumetation doch gewaltig: die Zeugin Jehovas, die die Blluttransfusion verweigert, ist erwachsen. Bei der Beschneidung geht es bekanntlich um unmüngige Kinder.

    Und bei Pussy Riot ging es auch darum, auf die enge Verstrickung von orthodoxer Kirche und dem autoritären Putin-System hinzuweisen, die in dieser Form bei uns nicht besteht, weswegen auch der Hinweis auf Pussy Riot im Kölner Dom ins Leere läuft.

    Religiösen Einfluss gibt es bei uns aber dennoch mehr als genug und mehr als für denkende Menschen erträglich!

  • T
    Tom

    Verstümmelungen von Kindern als "kleiner Schnitt in den Schniepel" zu bezeichnen zeigt, wie selbstverständlich die Gesetzlosigkeit der Kirchen geworden ist. Müssen Kirchen und deren vertreter sich nicht an Gesetze und Verfassung halten? Die absurden Privilegien der Kirchen bestehen immer noch und der Ideologie wird unhinterfragt und bezüglich Menschenrechten nicht-überprüft vom Steuerzahler kostenloser Werbeplatz in Milliarenhöhe zugeschanzt. Es ist noch ein weiter Weg bis zu verfassungsgemäßer Demokratie in diesem Land.

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Ich glaube nicht, dass es um Religion im Allgemeinen geht - es ist der ideologische Machtanspruch. Und da engt sich die Auswahl schon ein, oder?

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Ich mußte bei

     

    "Religion [ist] fast immer ein Eingriff auch ins Körperliche"

     

    so lachen, da ich an den Zäpfchen-Pater Pädo denken mußte, über den ihr gestern berichtet habt.

  • G
    Gerd

    Es gibt einen Vertrag zwischen Kirchen und Staat: die Verfassung. Leider halten sich die Kirchen einfach nicht daran, die Trennung von Staat und Kirche wird durch die staatliche Finanzierung der Kirchen, absurde Privililegien und Zensur (die Kirche sitzt in allen Bewertungsstellen, Programmkommissionen) etc, etc einfach missachtet. Die Macht der Kirche verhindert eine Durchsetzung der Gesetze, aber die große Mehrheit der Bevölkerung ist nicht Kirchen-gebunden oder gläubig im kirchlichen Sinn. Es wird Zeit endlich für wahre Demokratie einzutreten, bevor die Kirchenmacht jegliche Meinungsäußerung verhindert.

  • D
    deviant

    Durchaus intelligente Analyse und insbesondere eine vernünftige Handlungsanweisung.

     

    Dennoch möchte ich auch eine andere Deutung vorschlagen: Schopenhauer sagte damals, dass die dümmsten und schlechtesten Menschen auf den Nationalismus zurückfallen, weil sie nichts anderes haben, worauf sie stolz sein könnten, und aus diesem Klammern an der Nation jede Kritik daran verhinderten.

    Dort, wo der Staat nicht dazu taugt, zum Beispiel weil der Nationalismus nicht besonders ausgeprägt ist und pan-nationale, ethnische und religiöse Motive wichtiger sind (wie in der Arabischen Welt, wo der Pan-Arabismus eine wichtige Rolle spielt, wo Nasser noch immer verehrt wird und im Arabischen Frühling eine Chance für einen neuen Versuch gewertet wurde; oder in der europäischen "Islamkritik", die gewissermaßen auch pan-europäisch ist, auch wenn sie sich nur als anti-muslimisch konstitutiert), greift man eben nicht auf abstrakte Konzepte wie "Volk", "Europa" oder "Arabien" zurück, sondern auf das nächst-naheliegende, die Religion. Für die einen wird dann die Sunna zum verbindenden Element, dass in der Folge überideologisiert wird, bei den anderen wird der Islamhass in ein Bekenntnis zu "Aufklärung und Christentum" umgedichtet (in etwa so intelligent übrigens, wie ein Bekenntnis zu "Frieden und Völkermord", sind Christentum und Aufklärung doch seit 2000 Jahren erbitterte Feinde.

    Man bedenke nur die Aussagen Luthers, der Verstand sei eine Hure, von der sich der Gläubige besser fern halte.)

  • DW
    dieser Welt

    Gute Beobachtungen und bestens zum Ausdruck gebracht. Danke Georg Seesslen.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Für was muss das Kreuz noch herhalten

    Für vieles muss heutzutage das Kreuz,das Kruzifix herhalten.Ein Mann Namens Jesu starb einen qualvollen Tod und nahmt die Sünden der Menschheit auf sich,damit sie erlöst sind,von Schuld und Sühne.

    Auch heute im Jahr 2012 werden Menscehn gekreuzigt,durch Nchtbeachtung,Diskriminierung,Demütigung,Missbrauch,Stigmatisierung physischer und psychischer Gewalt.

    Auch in den kirchen,geschieht alles was dort getan wird im Namen des jenigen der am Kreuz starb,ohne seinen Zustimmung ein zu holen.Man maßt sich an für den Mann am Kreuz zu sprechen und in seinem Namen zu handeln.

    Micht alles was Kruzifix simbolisiert ,beinhaltet auch Kruzifiy auch was die unterschiedlichsten Religionsgemeinschaften KdOR anbetrifft.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Falsch, werter Autor. Die Religionen haben sich schlicht dem Volk und dessen verbrieften Rechten und Vorstellungen zu fügen - dann, und nur dann, kann und darf diese Religion in unserem judisch-christlich-humanistischem Staat eine Berechtigung haben.

     

    Die Beschneidung verstösst gegen die körperliche Unversehrtheit, die (geschmacklose) Papst-Urin-Karrikatur unterliegt als Karrikatur der Pressefreiheit und muss sich nur deshalb ducken, weil es Gleichzeitig eine klare Beleidigung einer lebenden Person darstellt.

     

    Die meisten Releigionen in diesem Land halten sich an die Vorstellungen unserer Zivilisation und sind deshalb kompatibel zu Staat und Gesellschaft.

     

    Nicht kompatibel sind die kleine Gruppe der Satanisten und die große Gruppe der Muslime (von der Steinzeit-Variante "Salafist" ganz zu schweigen).

     

    Also, liebe taz:

    Weg mit den Scheuklappen - und keine (positiven) Vorurteile gegenüber Muslimen mehr. Ehrlich die Probleme benennen.

  • EL
    Ernt Lehmann

    In Länder wie Indien und Pakistan werden Mädchen vergewaltigt, weil sie Christen sind und christliche Kirchen angezündet und die taz-Redaktion kümmert sich lieber über fehlende e Gipfelkreuze und beschmutzte Tiaras lustig.

    Ist ja auch klar, Christen passen nicht ins Opferprofil, daher ist wegschauen und weghören angebracht.

    Währenddessen sind Christen die weltweit am meisten um ihres Glaubens verfolgte und diskriminierte Religionsgemeinschaft.

  • T
    tonikal

    Alles ziemlich geistreich, kritisch und differenziert gesagt; dafür gebührt Gerog Seeßlen Lob! Nur einen Punkt halte ich für problematisch: den Verzicht auf Missionierung zu fordern. Wie soll das gehen? Alle Vereine und Organisationen dürfen neue Mitglieder werben, nur religiöse Vereine dürfen das nicht? Das ergibt keinen Sinn. Auch wäre das Prinzip kaum auf die christlichen Normalkirchen anwendbar. Pfarrer dürften dann z. B. nicht mehr dafür werben, dass Kinder getauft werden. Aus einer solchen Regel könnte sich leicht ein neuer Kulturkampf entwickeln wie in den 1870er Jahren. Es geht ja dann sofort der Streit los: War das jetzt eine Werbung, also ein Missionierungsversuch, oder war es nur eine Meinungsäußerung oder einfache Selbstdarstellung?

  • D
    D.J. (ratlos)

    Meine Freude über einen scheinbar in die Tiefe gehenden religionskritischen Beitrag wich bald einer gewissen Ratlosigkeit. Ich möchte freilich nicht von "verschwurbelt" sprechen, solange die Möglichkeit besteht, dass ich einfach aufgrund geistiger Mängel nicht so richtig verstehen konnte, worauf der Autor eigentlich hinaus wollte. Nur ein paar konkrete Fragen an die Leser, vlt. können sie ja von anderen beantwortet werden. Zunächst Zitat:

     

    "Eine „weiche“ Grenze der Belastung durch „Blasphemie“, insbesondere dort, wo es nicht um böse Absicht geht. Der Verzicht auf Missionierung. Das Verbot religiöser „Geheimgesellschaften“. Eine eindeutig mandatierte Institution als Ansprechpartner. Man kann die Liste verlängern; nichts davon ist zu viel verlangt."

     

    1. Will der Autor tatsächlich prinzipiell Blasphemie (weiterhin) unter Strafe stellen? Was meint er mit "böse Absicht"?

    2. Wie kann ein Missionsverbot mit dem Grundgesetz vereinbart werden?

    3. Was sind für ihn "religiöse Geheimgesellschaften" (übrigens ein Vorwurf, mit dem das Christentum im Römischen Reich konfrontiert war)? Privatzirkel von Anhängern des Spagghettimonsters? Esoterische Gesprächsrunden?

     

    Hoffe, mich kann jemand aufklären (!).

  • M
    Merten

    "Und ein paar sehr alte/ganz junge Deutsche werden ihre schwarzbraune Suppe auf diesem Feuer kochen."

     

    Gott - was für eine pointierte Aussage!

     

    By Jove - so was Originelles habe ich ja noch nie gehört!

     

    Jeeesuz - welch analytischer Witz!

     

    Mit anderen Worten: Georg, werd' endlich erwachsen.

  • R
    reblek

    "Es fehlt an einem demokratischen Grundvertrag zwischen den Religionen und der Gesellschaft, zwischen Kirchen und Staat." - Wären dafür nicht demokratische Religionen und Kirchen eine Voraussetzung?

  • ZK
    Zum Kölner Dom
  • K
    kosaci

    Selten so einen interessanten beitrag gelesen. Danke!