Das Portrait: Der Patriarch
■ Joaquin Balaguer
Wie ein Fossil längst vergangener Zeiten hat sich der 89jährige, inzwischen vollständig erblindete Joaquin Balaguer bis heute in der Dominikanischen Republik an der Macht gehalten. Siebenmal und insgesamt 24 Jahre lang stand er an der Spitze des kleinen Landes, das sich hierzulande vor allem als karibisches Urlaubsparadies einen Namen gemacht hat. Nur ein Mann bestimmte die Geschicke der Inselrepublik länger: der Diktator Rafael Trujillo. Bis zu dessen Tod war Balaguer sechsmal Botschafter, mehrmals Kultusminister, Außen- und Sonderminister, Redenschreiber und schließlich Vizepräsident. Weiter konnte man es bis 1961 nicht bringen, sofern man nicht Trujillo hieß.
Dann trat Balaguer das Erbe des Despoten an. Ob nach Putschen, US-Interventionen oder manipulierten Wahlen, wie ein Stehaufmännchen landete Balaguer immer wieder auf dem Präsidentensessel. Im Unterschied zu seinem Vorgänger kam er zwar ohne Haifischteiche für seine politischen Gegner und zunehmend auch ohne auf Menschen abgerichtete Hunde aus, doch seine Verachtung für demokratische Umgangsformen war nicht minder ausgeprägt.
Zeiten der weltwirtschaftlichen Öffnung aber sind schlechte Zeiten für Diktatoren und Caudillos. Schon bei den Wahlen 1994 ging es nicht ohne massiven Wahlbetrug. Die Parteien einigten sich damals darauf, Balaguer für eine verkürzte Legislaturperiode im Amt zu belassen. Bei den letzten Wahlen im vergangenen Mai verständigte sich Balaguer dann mit seinem langjährigen Gegenspieler Juan Bosch von der Liberalen Partei auf ein Wahlbündnis für dessen Kandidaten Leonel Fernández. Wenn dieser heute sein Amt antritt, ist dem blinden Greis aufgrund der Stimmenverteilung im Parlament weiterhin politischer Einfluß sicher. Schon vor der Wahl deutete einiges darauf hin, daß der scheidende Präsident seine Zeit noch nicht für abgelaufen hält. Wie eh und je reist er mit seinem hellroten „Balaguermobil“ durch das Land und weiht hier eine Schule und dort ein Krankenhaus ein – immerfort gefeiert von der regierungstreuen Presse. Dennoch, der „Wohltäter“ des dominikanischen Volkes erinnert mit jedem Auftritt mehr an jene Romanfigur von Gabriel Garcia Márquez, den greisen Patriarchen, dessen Herbst nun abgelaufen ist. Jens Holst
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