Das Portrait: Der Gewandelte
■ Gianni Maria Flick
Noch nimmt ihn das Ausland kaum wahr, und auch in Italien kam sein Name erst vor recht kurzer Zeit zu größerem Bekanntheitsgrad; geschätzt wurde er vordem vor allem von allerlei vermögenden Sündern, die vor Gericht geraten waren. Gianni Maria Flick, 56, Strafrechtsprofessor und bestbezahlter Anwalt, seit Mai 1996 Justizminister, ist drauf und dran, zum absoluten Highlight des Kabinetts Prodi zu werden. Und das, obwohl die Auguren zunächst vermutet hatten, da käme wieder mal ein treuer Erfüllungsgehilfe des Machtkartells ins Amt.
Tatsächlich hatte er sich als Anwalt für Amnestien und Strafnachlässe für Korrupte ausgesprochen und über die große Autonomie der Rechtsprechung gemosert. Doch seit der Mann nun selbst als Chef im Justizministerium waltet, ist er ein anderer geworden. Von einer Amnestie für Korrupte will er nichts mehr wissen – „laßt mich damit in Ruhe!“ beschied er barsch.
Enttäuscht wurden auch jene, die im neuen Kabinett auf regelmäßige Zusammenstöße Flicks mit Antonio Di Pietro, ehemals Chefankläger in den Mailänder Korruptionsprozessen, hofften: Wie Plisch und Plum spielen sich die beiden, die vordem im Gerichtssaal oft die Klingen gekreuzt hatten, die Bälle zu. Mafiabossen, die derzeit ihre Lobby zugunsten einer Amnestie für „reuige“ Gewalttäter mobilisieren, beschied er trocken: „Erst mal müssen die Verbrechen aufgeklärt, die Schäden wieder gutgemacht sein.“
Zu höchstem Profil gelangte er dann Anfang August, als der SS-Mann Erich Priebke vom Militärgericht wegen des Massakers in den Ardeatinischen Höhlen zwar schuldig gesprochen, aber nicht bestraft wurde, wegen angeblicher Verjährung. Flick verhinderte die anstehende Freilassung, die auf Roms Straßen zu schweren Auseinandersetzungen zwischen aufgebrachten Bürgern und der Polizei zu führen drohte, indem er Priebke wegen des vorliegenden internationalen Haftbefehls gleich wieder einsperren ließ. Damit zog er sich zwar eine Klage wegen Amtsmißbrauchs und Verfassungsbruchs seitens der Priebke- Anwälte zu, aber einem solchen Verfahren sieht Flick gelassen entgegen. „Zur Vermeidung von Unruhen würde ich das wieder und immer wieder tun.“ Werner Raith, Rom
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