Das Portrait: Papst der Gentechnologie
■ Ernst-Ludwig Winnacker
Durch eine Indiskretion ist es bekanntgeworden: Der Biochemiker Ernst-Ludwig Winnacker soll neuer Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) werden. Auf diese Empfehlung einigte sich einstimmig der Senat der DFG.
Mit der Wahl des 55jährigen Biochemikers wird das Spitzenamt der wichtigsten forschungsfördernden Einrichtung wieder an einen Naturwissenschaftler übergeben. Winnacker löst den Literaturwissenschaftler Wolfgang Frühwald ab, der nach sechsjähriger Amstzeit nicht wieder kandidieren will.
Seit 1977 ist Winnacker in München tätig: Er baute dort an der Ludwig-Maximilians- Universität die Abteilung Biochemie der Viren auf, bekam drei Jahre später den Lehrstuhl für Biochemie und übernahm 1984 den Chefsessel des neugegründeten Genzentrums München. Berührungsängste mit der Industrie hatte er nie. Besonders gute Beziehungen werden ihm zu der Hoechst AG nachgesagt; die wurden ihm schon in die Wiege gelegt: Sein Vater war von 1943 bis Kriegsende einer der drei Chefs der I.G. Farben und bis Ende der sechziger Jahre Vorstandsvorsitzender bei Hoechst.
„Deutscher Papst der Gentechnologie“ wird Winnacker von seinen Kritikern genannt. Seit Jahren schon mischt er bei der Diskussion um die Gentechnologie mit. Von 1984 bis 1987 gehörte er als Sachverständiger der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, „Chancen und Risiken der Gentechnologie“, an, bis 1990 war er Mitglied einer Beratungsgruppe Gentechnologie des Forschungsminsteriums. Winnacker gehört zu den wenigen Genforschern, die schon immer den Weg an die Öffenlichkeit gesucht haben. Für ihn ist „eindeutig erwiesen: Das spezifisch gentechnische Risiko gibt es nicht.“ In einem von ihm initiierten Aufruf spricht er sich zwar gegen Eingriffe in die menschliche Keimbahn aus, die Gentechnologie ist für ihn aber ein „unverzichbares Werkzeug“. Schon kurz nach der Verabschiedung des Gentechnikgesetzes ließ er sich in einen Feldzug der chemischen Industrie gegen das Regelwerk einspannen. In einer umstrittenen Anzeigenserie, in der unter anderem auch der katholische Bischof Karl Lehmann zu sehen war, wetterte Winnacker: „Die Bürokratie droht die Gentechnik zu Tode zu verwalten. Die Folgen für Deutschland wären katastrophal.“ Wolfgang Löhr
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