■ Das Portrait: Mutter Dänemark von Rechtsaußen
Einer Gegenoffensive der SozialdemokratInnen ist es zu verdanken, daß sie bei den dänischen Kommunalwahlen am Dienstag in letzter Minute gestoppt wurde: Die 50jährige Pia Kjaersgaard, die dänisch blond, lachend, schlagkräftig und demagogisch ihre ausländerfeindliche „Dänische Volkspartei“ mit 6,8 Prozent der Stimmen zur drittstärksten politischen Kraft machte.
Mehr zufällig war Kjaersgaard 1984 ins Parlament gekommen, als Nachrückerin auf der Liste der populistischen Fortschrittspartei, weil deren Chef Mogens Glistrup aufgrund gigantischer Steuerhinterziehungen hinter Gittern landete. Schon ein Jahr später war sie Parteivorsitzende.
Kjaersgaards Ziel war es, die Partei salonfähig zu machen – was ihr mißlang. Nach einem empfindlichen Wahlverlust bei den letzten Parlamentswahlen verließ sie die Fortschrittspartei. 1995 gründete sie eine rechte Konkurrenzorganisation: die Dänische Volkspartei. Die wurde von vornherein totgesagt und bis zum Frühjahr dieses Jahres bei keiner Meinungsumfrage über der Zwei-Prozent- Sperrklausel gesichtet.
Doch dann zeigte Kjaersgaard, daß sie die Demagogie nicht verlernt hat. Wie schon einmal Ende der achtziger Jahre sah sie die Zeit herangereift für eine Anti-AusländerInnenkampagne unter dem Motto „Dänemark gehört uns Dänen“, die ihre Partei im Oktober bis auf 15 Prozent der WählerInnenzustimmung anwachsen ließ.
In Dänemarks Boulevardpresse fanden diese Sommerlochthemen ihren Niederschlag: Glaubte man den Berichten, so durfte man sich abends nicht mehr auf die Straße wagen, um nicht von einer Gang 14jähriger Pakistaner überfallen zu werden. Und dänische Kinder würden in den Kindergärten nur noch arabische und somalische Laute hören.
Kjaersgaard vermag wie die Nachbarsfrau von nebenan aufzutreten. Deutlich setzt sie sich in Argumentation und Präsentation bei jeder Debatte von ihren PolitikerkollegInnen der anderen Parteien ab: sie redet einfach, mundgerecht, in Überschriften. Kein Wort, das kompliziert oder unverständlich wäre. Als vermeintliche Frau „von der Straße“ weiß sie allemal besser, was das Volk bewegt, Fakten hin oder her. Und wenn sie Journalistenfragen einmal zu sehr in die Enge zu treiben drohen, befreit sie sich aus diesem Griff schon mal mit einer Schimpfkanonade. Reinhard Wolff
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