Das Portrait: Der Mann am Klavier wird 70
■ Paul Kuhn
Sein Name ist fest in die Geschichte der deutschen Nachkriegsunterhaltung eingeschrieben. Schon als Jugendlicher übte Paul Kuhn die weiland „schrägen Töne“, später war er der einzige Deutsche unter den Swing-Musikern des US-Soldatensenders AFN. In den Fünfzigern machten ihn lakonische Blödelsongs wie „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ oder „Der Mann am Klavier“ zum Hitparadenstar. Anfang der Sechziger rief dann das Fernsehen.
Kuhn brachte alle Voraussetzungen mit für einen Entertainer – er sang, moderierte und spielte Sketche. Las-Vegas-Format erlangte er aber nie. Während man einen schlagfertigen Kollegen wie Peter Frankenfeld bedenkenlos in US-amerikanische Talkshows schicken konnte, war Kuhn eher der Mann für den geselligen Abend – der „Mann am Klavier“ eben. „Hallo Paulchen“ hieß seine Sendereihe, und das entwaffnende Diminutiv wurde zum Markenzeichen des kleinen Pianisten mit der Zahnlücke und dem schütteren Haar.
Als bei anderen Shows noch die Guckkastenperspektive dominierte, wagte man bei „Hallo Paulchen“ bereits den Griff in die Trickkiste. So konnte Paul auch mal das Paulchen anherrschen: „Das darf doch nicht wahr sein. Da baut man dir einen Auftritt wie für die Callas, und wie stehst du da? Wie Paul Kuhn!“
Zögerlich eröffnete er seine Sendungen, als wüßte er nicht recht, wie ihm gerade geschieht, als sei ihm die Show eine Nummer zu groß. „So groß angekündigt, da wird man so klein“, sang er einmal, sich zwischen überdimensionalen Kulissen vorantastend, „so groß angekündigt, ist fast schon gemein...“
An ein Format mit Saalpublikum wagte sich Kuhn Ende der Sechziger mit „Paul's Party“, nachdem er Leiter des SFB-Tanzorchesters geworden war. Das Programm bestand aus purem Easy-Listening-Sound, unterbrochen nur von nachträglich eingefügten, heiteren Zwischenbemerkungen. Mit Kuhns Worten: „Sie zu Hause sehen uns zu, wie wir uns zusehen. Das hört sich kompliziert an, sieht aber unkompliziert aus.“
Unkompliziert war er immer. So einer ist denn auch gar nicht windig genug, das Finanzamt zu betuppen, und wird promt erwischt – 1994 erhielt er ein Jahr auf Bewährung für dieses Delikt, für das geschicktere Menschen ein Verdienstkreuz entgegennehmen. Harald Keller
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