Das Portrait: Diskreter UN-Gesandter
■ Mario Soares
Mario Soares, die graue Eminenz der portugiesischen Demokratie, ist zurück auf der politischen Bühne. Ab heute hat er einen neuen Job, um den ihn jedoch wenige beneiden werden. Im Auftrag von UN-Generalsekretär Kofi Annan leitet der ehemalige portugiesische Staatspräsident eine sechsköpfige UN- Delegation durch Algerien. Zwei Wochen lang soll er sich über die Lage der Menschenrechte in dem nordafrikanischen Land ein Bild machen.
Dabei kann sich der 73jährige Sozialist schnell zwischen alle Stühle setzten. Algerien erwartet ein behutsames Vorgehen und einen Abschlußbericht, der den Terrorismus anprangert und Polizei und Militär reinwäscht. Menschenrechtsorganisationen und das UN-Menschenrechtskomitee wünschen dagegen Antworten auf unbequeme Fragen wie die Mitschuld der Armee bei Massakern oder nach dem Verbleib von Verschwundenen. Und zu Hause haben ihm seine Parteifreunde in der Regierung sicher mitgeteilt, daß die wirtschaftliche Annäherung Portugals an Algerien auf keinen Fall aufs Spiel gesetzt werden darf.
Dennoch hat Annan gut gewählt: Dem Westen gilt Soares als treuer Gefolgsmann, seit er als Regierungschef Portugal Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre aus den revolutionären Wirren in die Europäische Gemeinschaft und die NATO führte. In Algerien dürfte ein anderer Soares in guter Erinnerung sein: der junge sozialistische Außenminister, der nach der Nelkenrevolution mit Mosambik und Angola zwei wichtige Verbündete des FLN-Staates in die Unabhängigkeit entließ. Und die internationalen Menschenrechtsorganisationen haben jenen jungen Anwalt Soares nicht vergessen, der selbst Opfer der Häscher der portugiesischen Diktatur wurde und in der Verbannung landete.
Und auch Algeriens Regierungschef Ahmed Ouyahia hat Vertrauen in Soares. Der Mann, der sich als Staatspräsident seines Landes den Beinamen „Bürgerkönig“ erwarb, sei „eine Garantie dafür, daß es anders als bei der Delegation des Europaparlaments keine Provokationen geben wird“, erklärte Ouyahia während einer Portugal- Reise Anfang des Monats. Soares gab die Höflichkeit zurück: Das „Wesentliche“ bei seinem Auftrag sei „absolute Diskretion“. Reiner Wandler
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