Das Portrait: Polen-Experte auf schnellen Rollen
■ Dieter Bingen
Wenn Dieter Bingen mit seinen Inlineskatern am Rheinufer entlangflitzt, würde niemand vermuten, daß dies der neue Direktor des Deutschen Polen Instituts (DPI) in Darmstadt ist. Noch steht zwar die Bestätigung des Kuratoriums aus, doch seiner endgültigen Ernennung im November dürfte kaum noch etwas im Wege stehen. Der 46jährige Historiker und Politologe wird die Nachfolge von Karl Dedecius antreten, dem Gründungsdirektor des DPI und wohl berühmtesten Förderer polnischer Literatur in Deutschland.
Dieter Bingen hat nicht die Absicht, sich mit dem „Papst der deutschen Übersetzergilde“ zu messen. Er will die bislang vorwiegend literarische Ausrichtung des Instituts um gesellschaftspolitische Themen erweitern, um so auch junge Politiker und Wirtschaftsexperten für Polen zu interessieren.
Dieter Bingen, der sich schon als Kind so brennnend für Politik interessierte, daß er Politikerfotos aus Zeitungen auschnitt und sich ein „Deutschland-und-die-Welt- Brevier“ bastelte, kam über die Grenzfrage zum „Thema Polen“. Die eigentliche Faszination packte ihn aber erst 1974, als er zum ersten Mal Polen besuchte und ihm die Menschen mit einer unerwartet Offenheit begegneten.
Beruflich widmete er sich nach der Dissertation an der Bonner Universität der Politikbegleitung der Bundesregierung. Im Kölner Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien (BIOst) erarbeitete er als Experte für Polen Hunderte von Analysen, Darstellungen sowie fünf Monographien. Sein jüngstes Buch über die Polen-Politik der Bonner Republik 1949-1991 ist, ins Polnische übersetzt, auch im Krakauer Kwadrat- Verlag erschienen.
Vor einem Monat stellte der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher die Darstellung in Bonn vor und lobte sie als „Lehrbuch, das verständlich macht, warum kurzsichtiges innenpolitisches Vorteilssuchen Außenpolitik nicht bestimmen darf“. Dies scheint heute wichtiger denn je. Der Streit um die Vertriebenenerklärung des Bundestages hat bereits zu fatalen Folgen geführt: Das mühsam aufgebaute Vertrauen zwischen Polen und Deutschland ist empfindlich gestört. Dieter Bingen wird nun auf seinem neuen Posten eine der Aufgaben aus der Gründungszeit des Instituts wiederaufgreifen müssen: die Versöhnung. Gabriele Lesser
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