Das Portrait: Verdienstkreuz für einen Versöhner
■ Otto Rosenberg
Die auf seinem Unterarm eintätowierte Nummer war Z6084, „Haftgrund Zig.D.R.“, Zigeuner aus dem Deutschen Reich. Otto Rosenberg ist 1936 als achtjähriger Junge mit seiner Familie auf dem Sammelplatz in Berlin-Marzahn interniert und dann zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie, zuletzt in die KZs Auschwitz, Buchenwald und Bergen-Belsen deportiert worden. Er war der einzige Überlebende seiner Familie. Nach seiner Befreiung 1945, sagte er einmal, „hatte ich Haß im Herzen“. Später ließ er seine KZ-Nummer mit einer neuen Tätowierung, einem Engel, überdecken: „Ich wollte das Böse mit etwas Gutem versehen.“
Als Kind, erinnert Rosenberg sich, habe er erst gar nicht verstanden, was da geschah. Die Mediziner aus dem Reichsgesundheitsamt, die ihn im Lager vermaßen und seine „rassische Minderwertigkeit“ klassifizierten, habe er sogar als freundlich empfunden.
Nach 1945 schlug er sich als Musiker durch, spielte auf Festen und in Kaffeehäusern Akkordeon und Gitarre. Die Geige mußte er wegen einer im KZ erlittenen Handverletzung aufgeben.
Rosenberg heiratete und sagt heute, seinen Wunsch zur Versöhnung verdanke er seiner Frau und seinen sieben Kindern. Eins davon ist die Sängerin Marianne Rosenberg, die er etliche Jahre lang managte.
Außerdem wurde er Mitbegründer und seit 1982 erster Vorsitzender der Cinti- Union, die sich mitlerweile zum „Landesverband deutscher Sinti und Roma in Berlin-Brandenburg“ erweiterte. Der Verband unterstützt bei Behördengängen und Wohnungssuche, berät, vermittelt und schlichtet Konflikte. Jahrelang stritt Rosenberg ebenso bescheiden wie hartnäckig für die Rechte und die Anerkennung seiner Bevölkerungsgruppe als Deutsche.
Seinen bisher größten und bundesweit einmaligen Erfolg erreichte er 1989: das Abgeordnetenhaus gestand den Sinti und Roma nach dem Berliner Gesetz über politisch und rassisch Verfolgte einen Anspruch auf Entschädigung zu. Heute nachmittag wird ihm in Berlin im Haus der Wannseekonferenz das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. Möglicherweise wird er zu diesem Anlaß daran erinnern, daß Sinti und Roma um das Holocaustdenkmal in der Hauptstadt nicht mitstreiten können, weil sie bisher in der Planung nicht vorgesehen sind. Heide Platen
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