■ Das Portrait: Vom Proficatcher zum Gouverneur
Jesse Ventura, Überraschungssieger der Gouverneurswahlen in Minnesota Foto: Reuters
Noch vor wenigen Wochen hatte kaum jemand Jesse Ventura mehr zugetraut als bestenfalls einen Achtungserfolg bei den Gouverneurswahlen im US-Bundesstaat Minnesota. Das Rennen schien zwischen dem demokratischen Kandidaten Hubert Humphrey und dem Republikaner Norm Coleman zu laufen. Weit gefehlt: Am Dienstag wurde Ventura mit deutlichem Abstand zum Gouverneur gewählt.
Der 47jährige Vietnam- Veteran hat sich nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst 1975 als Proficatcher Jesse „The Body“ Ventura“ einen Namen gemacht. Immer mußte der große Mann mit den wenigen Haaren den Bösen spielen.
Das macht ihm auch heute noch Spaß: Auf seiner Website im Internet ließ er das Publikum Dienstag nacht life seine Wahlparty miterleben. „Wir sind unglaublich stolz!“ war zu hören, „niemand hat uns eine Chance gegeben, wir haben die Nation geschockt!“ rief er aus. Weiteres ging im Gegröle unter.
Ventura, nach dem Ende seiner elfjährigen Catcher- Karriere Gastgeber einer Talkshow und von 1991 bis 1995 Bürgermeister einer Kleinstadt, reist auf dem Ticket der Reform Party des mehrfachen unabhängigen Präsidentschaftskandidaten Ross Perot. So war denn auch Venturas Wahlkampf von klassischen Themen unabhängiger Kandidaten geprägt: die korrupten Parteien, die verkommene Elite, die böse Sensationspresse und, am schlimmsten, die Karrierepolitiker. Drei Dinge seien es, erklärte er seiner Gefolgschaft, warum er die Wahlen gewinnen könne, obwohl die anderen mehr Geld hätten: Erstens stimme es gar nicht, daß immer der Kandidat mit dem meisten Geld gewinne, zweitens seien seine Gegner langweilig und drittens habe er die Fähigkeit, Menschen zu den Urnen zu bewegen, die sonst nie wählen. Bei den Streitthemen der US-Wahlkämpfe hatte er ein buntes Panorama aufzuweisen: Ventura ist für die Todesstrafe und für die Legalisierung von Marihuana zum medizinischen Gebrauch. Er ist für das Recht auf Waffenbesitz und gegen die Schulzulassung illegaler Immigranten.
Bei der Wahl ist Ventura ein Einzelfall geblieben. Ein Trend zu unabhängigen Kandidaten ist nicht festzustellen. Ob sein Sieg mehr ist als die einmalige Ballung von Proteststimmen, werden die nächsten Wahlen zeigen. Bernd Pickert
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