Das Portrait: Die CDU liebt ihre Ehrenvolle nicht
■ Barbara John
Noch nie hat sie ein Blatt vor den Mund genommen – nicht, wenn sie in Bosnien zerstörte Dörfer besichtigte; nicht, wenn sie zwischen hungerstreikenden Kurden und der Polizei vermittelt, aber eben auch nicht gegenüber ihren Parteigenossen. Die Initiatoren der gerade angelaufenen Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft etwa warnte sie vor „plumper Stimmungsmache“. Als vor zwei Jahren aus der CDU das Gerücht laut wurde, in der Stadt mit 430.000 Nichtdeutschen solle ihr 30köpfiges Amt aufgelöst werden, sagte sie allerdings gar nichts, sondern schüttelte nur souverän mit dem Kopf.
Die dienstälteste Ausländerbeauftragte der Bundesrepublik ist nach fast 17 Jahren Amtszeit einiges an Angriffen aus ihrer eigenen Partei gewöhnt. Zahlreiche Freunde hat die 60jährige unter ihren Klienten sowie beim politischen Gegner gewonnen. Sie habe „für Berliner Türken unglaublich viel erreicht“, heißt es von seiten des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg. Die Grünen attestieren ihr, immer konsequent für die doppelte Staatsbürgerschaft eingetreten zu sein. Ihre ärgsten Feinde sitzen in den bosnischen Flüchtlingsgruppen: „Das Prinzip der Duldung“, sagt John nämlich, „kann nur funktionieren, wenn die Leute auch wieder gehen.“
Jetzt wollte ausgerechnet die Berliner SPD die CDU- Frau wegen ihrer Verdienste um die Integration ausländischer Berliner zur Ehrenbürgerin küren. Ihre eigene Partei, zur Zeit intensiv damit beschäftigt, ihre Unterschriftenaktion in der Hauptstadt überhaupt in Gang zu bringen, aber gab sich reserviert. „Zu gegebenem Anlaß“, so der Regierende CDU-Bürgermeister Diepgen, werde der Senat sich mit der Frage befassen – es kam, wie so oft, zu keiner Entscheidung. Sollte die SPD sich letztlich durchsetzen, stünde John in einer Reihe mit Michail Gorbatschow oder George Bush.
Es gibt viele, die nicht verstehen, was die immer auf Kompromiß bedachte Frau in den Reihen der CDU hält. Es gibt auch viele, die ihr das vorwerfen. Vielleicht ist es aber auch genau das, was sie in der Realpolitik am erfolgreichsten sein läßt: Ewig die Spannung zu halten zwischen den CDU-Hardlinern und ihrem besseren Wissen. Ihr Parteibuch mag ihre wirkungsvollste Waffe sein. Doch Barbara John auszutauschen – das ist nicht einmal der letzten rot-grünen Koalition eingefallen. Jeannette Goddar
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen