Das Portrait: Starfotograf des „Life“-Magazins
■ Andreas Feininger
Auf dem Foto leuchtet der Schädel eines Affen von innen. Andreas Feininger hatte eine Glühbirne eingesetzt, weil ihm das Objekt, das er für das Life-Magazin fotografieren sollte, zu langweilig schien. Die Zeitschrift war vom Ergebnis begeistert: Für ein zweites Anatomiefoto nahm Feininger einen Unterarmknochen mehrfachbelichtet auf, um die Scharnierfunktion des Ellenbogengelenks hervorzuheben. Jetzt rotiert der Knochen bei ihm auf dem Bild wie die Speichen eines Fahrrads.
Mit Feininger, der, wie erst jetzt bekannt wurde, am vergangenen Donnerstag in New York gestorben ist, geht die Schule des „Neuen Sehens“ langsam zu Ende. Der 1907 in Paris geborene Fotograf hatte in den zwanziger Jahren am Bauhaus in Weimar studiert, wo auch sein Vater, der Maler Lyonel Feininger, die Verbindung der Kunst mit dem Leben in der Allmacht von Architektur und Gestaltung lehrte. Der junge Feininger nahm sich die Ideologie zu Herzen und fotografierte die Natur, als hätte er in einen Baukasten geblickt. Eiskristalle entfalten ihre Geometrie vor seiner Kamera ebenso wie die Stengel und Blütenblätter der Wiesenblumen. In der Abbildung reduzierter Formen sah Feininger die Stärke der Fotografie: „Sie ist die einzige Sprache, die überall auf der Welt verstanden werden kann, unabhängig von unterschiedlichen Buchstaben und Wörtern“, lautete noch 1997 sein Resümee im Bildband „Warum ich fotografiere“.
Angefangen hatte Feininger als Ingenieur, in dessen Fotos sich immer wieder die Faszination an den Ordnungsprinzipien der Natur spiegelte. Blumen, Ameisen oder das Menschengewimmel in den Großstadtstraßen scheinen sich vor seinem Auge kaum noch zu unterscheiden. Die totalitäre Logik seiner Zeit zwang ihn indessen ab 1939 in das amerikanische Exil. Dort zählte er über Jahrzehnte zu den Starfotografen von Life. Bis 1962 nahm er allein für dieses Magazin 346 Aufträge an.
Bekannt wurde Feininger nicht nur mit Naturstudien, sondern auch für seine Dokumentationen von New York. Hier fand er gerade in den regengrauen Straßen von Brooklyn Motive, die ihn zurück in die alte Welt katapultierten. Nie sah die Metropole der Moderne mehr nach Venedig, Paris oder Prag aus als auf diesen schummerigen Milieubildern. Harald Fricke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen