Das Portrait: Zwei Jahre Baumretten
■ Julia Hill
Nach vier Monaten, im März 1998, wünschte sich Julia Hill eine heiße Dusche. Die hat die 25-jährige Kalifornierin bis heute nicht bekommen, denn Julia „Butterfly“ Hill lebt seit dem 10. Dezember 1997 auf einem 60 Meter hohen, 1.000 Jahre alten Redwood-Baum bei Stafford, 200 Kilometer nördlich von San Francisco. Ihre Wohnstatt ist eine knapp sechs Quadratmeter große Plattform mit Wänden aus Plastikplanen, ihre Ausstattung sind Kerzen, ein Solarhandy, ein Propangaskocher, Kleidung, Schlafsack, ein Kübel als Toilette, Schwamm und Wassereimer.
Sie will solange nicht hinuntersteigen, bis dieser Baum, den sie „Luna“, (Mond) nennt, und andere Redwoods vor dem Fällen geschützt sind. Luna würde auf dem Holzmarkt rund 100.000 Dollar bringen.
Julia Hill (25) sitzt heute zwei Jahre auf einem 60 Meter hohen Baum in Kalifornien Foto: Archiv
Nach einem schweren Autounfall, der ihr das Gehen und Sprechen ein Jahr lang erschwerte, wandte sich Julia Hill nach eigenen Worten den „wirklichen und wichtigen Dingen des Lebens“ zu und schloss sich 1997 der amerikanischen Aktivistengruppe Earth First! an. Um die restlichen drei Prozent alter Urwälder mit den kathedralenartigen Redwoods vor dem Holzeinschlag zu retten, entschloss sie sich, einen der Bäume zu besteigen und zu bleiben.
Der Baum steht im Einschlagsgebiet der Pacific Lumber Corporation, von ihm aus kann sie die kahl geschlagenen Hügel rundum sehen. Pacific Lumber hat mit allen Mitteln versucht, Hill aus dem Baum wieder herauszuholen: Flutlicht, Sirenen, Helikopter, Aushungerung, Beschimpfungen, aber nichts hat gewirkt – und sie mit Gewalt aus dem Baum zu ziehen ist zu gefährlich. Bis heute lebt sie in luftiger Höhe, durchsteht schwere Stürme, klettert durch den Baum, schreibt Tagebuch, Gedichte und Briefe, telefoniert mit Fans und hat „eine spirituelle Verbindung“ zu dem Baum aufgebaut. Spätestens alle zwei Tage bringen ihr Helfer Beutel mit Lebensmitteln und Wasser, die sie hochziehen kann, manchmal wagen sich auch Besucher auf die schwindelerregende Klettertour zu ihr.
Hill ist natürlich nicht die erste Redwood-Schützerin. Schon 1925 blockierten Frauen die Zufahrtswege zu den Wäldern, und Baumsitzen ist in den letzten Jahren schon fast zur traditionellen Protestform geworden. Julia Hill hält es weltweit allerdings am längsten aus. Unlängst hat sie Gespräche mit Pacific Lumber über eine Beendigung ihrer Aktion aufgenommen.
Maike Rademaker
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