: Das Monopoly geht weiter
■ In Friedrichshain wurden sechs Häuser verkauft, ohne die Mieter zu fragen. Damit privatisiert die Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF) mit der Mutterfirma in Mitte um die Wette
Der Ausverkauf ehemals landeseigener Wohnungen nimmt kein Ende. Wie die bündnisgrüne Wohnungspolitikerin Barbara Oesterheld gestern mitteilte, hat die Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF) sechs Häuser in der Dirschauer Straße verkauft. Dabei habe es der zum Zeitpunkt des Verkaufs zuständige WBF- Mitarbeiter und SPD-Abgeordnete Rudolf Kujath nicht nur unterlassen, Mieterschutzklauseln in den Kaufvertrag zu schreiben. Mit Hilfe einer Handlungsvollmacht, so Oesterheld, habe Kujath den neuen Eigentümern sogar die Möglichkeit gegeben, die Entmietung der Häuser zu betreiben. Die WBF selbst war gestern zu keiner Stellungnahme in der Lage.
Neuer Eigentümer der Häuser Dirschauer Straße 2, 3, 4, 5 und 7 ist nach Informationen der taz die Firma MC Bauservice. Per „Zustellung unter Bewohnung von Zeugen“ hat die Firma vor wenigen Tagen den Mietern eine Modernisierungsankündigung zukommen lassen und um Zustimmung gebeten. So soll in einer Kleinwohnung nach Abschluß der Sanierungsarbeiten die Miete von derzeit 220 Mark auf 620 Mark steigen. Eine Verweigerung der Zustimmung, so hieß es in dem Schreiben, hätte vor Gericht ohnehin keinen Bestand. Die Mieter müßten dann nur erhebliche Rechtsanwalts- und Gerichtskosten zahlen. Mietern, die die Forderung dennoch nicht unterschreiben wollten, wurde die Handlungsvollmacht der WBM unter die Nase gehalten. Kommentar der grünen Abgeordneten Oesterheld: „Die Vorgehensweise erinnert an die Methoden von Scientology.“
Mit den Verkäufen in der Dirschauer Straße setzt die WBF ihre bisherige Privatisierungspraxis fort. Bereits in der Vergangenheit wurden vor allem rund um den Boxhagener Platz etwa 30 Häuser an den Fondsanleger Wertkonzept verkauft. Nach Angaben der Betroffenenvertretung seien die Mieter nicht befragt worden, ob sie ihr gesetzlich verbrieftes Vorkaufsrecht wahrnehmen wollten. „Selbst die Richtlinie des Senats, vorrangig an die Mieter zu verlaufen, interessiert die WBM nicht“, sagt Heike Weingarten vom Mieterladen in der Kreutziger Straße.
Als Tochtergesellschaft der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) ist die WBF ebenfalls in guten Privatisierungshänden. Die WBM steht seit langem an der Spitze des Wohnungsausverkaufs. Erklärtes Ziel der Gesellschaft ist es, über die Privatisierungspflicht von 15 Prozent des Bestandes hinaus sämtliche Altbauhäuser an private Eigentümer zu verkaufen. Jüngstes Beispiel des Privatisierungseifers der WBM war der „Wöhlertgarten“ in der Pflugstraße in Mitte. Dort hatte die WBM 130 Wohnungen an die Firma IBC verkauft, obwohl die Mieter Interesse an einem Kauf angemeldet hatten. Uwe Rada
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