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Das Mastermind des 11. September

Mit Henry Kissinger übernimmt ein Meister der Vertuschung von CIA-Verbrechen die Aufklärung der WTC-Anschläge

Er ist in seiner bisherigen Laufbahn ein Meister der Vertuschung gewesen – jetzt soll er plötzlich aufklären: Henry Kissinger, 79, soll eine unabhängige Untersuchung leiten, die die Vorgänge rund um den 11. September 2001 aufklären soll. Im Mittelpunkt steht die Frage, was die Geheimdienste und die Administration wussten, was sie warum nicht wussten, und ob etwas hätte getan werden können, um die Anschläge zu verhindern.

Angesichts der vielen offenen Fragen und Ungereimtheiten rund um den 11. September hatten Angehörige von Opfern der Terroranschläge eine solche Untersuchung immer wieder gefordert, sie war jedoch von der Regierung Bush stets abgelehnt worden. Das brachte wiederum neue Spekulationen hervor, wovon die Regierung eigentlich ablenken wollte. Jetzt soll die 10-köpfige Kommission in 18 Monaten einen Bericht abliefern.

1968 wurde Henry Kissinger, der 1938 mit seiner jüdischen Familie aus Nazi-Deutschland emigriert war, von Präsident Richard Nixon zum nationalen Sicherheitsberater ernannt – eine Funktion, die er optimal ausnutzte, nicht zuletzt mit Geheimdiplomatie am State Department vorbei. Es war Kissinger, der zur Ausweitung des Vietnamkriegs riet und dazu, Kambodscha und Laos ebenfalls mit Krieg zu überziehen. Dass Kissinger für sein „Engagement zur Beendigung des Krieges“ 1973 gemeinsam mit dem Vietnamesen Le Duc Tho mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, war schon eine besonders zynische Fußnote der Geschichte – zudem Kissinger zum Zeitpunkt der Auszeichnung – frisch zum US-Außenminister ernannt – gerade mit dem anderen 11. September beschäftigt war, der ebenfalls Weltgeschichte schreiben sollte: Am 11. September 1973 putschte das chilenische Militär unter Führung des Generals Augusto Pinochet gegen die gewählte sozialistische Regierung des Präsidenten Salvador Allende. Geplant worden war der Putsch, wie vor wenigen Jahren freigegebene Dokumente der CIA zeigen, in Washington, und zwar sogar schon unmittelbar nach Allendes Wahl, noch vor seinem Amtsantritt 1970. Mastermind: Henry Kissinger.

Derzeit läuft in zahlreichen Programmkinos in den USA der Film „Der Fall Henry Kissinger“. Der Film nimmt die wesentlichen Argumente des Buches von Christopher Hitchens auf, der Kissinger unter dem Titel „The Trial of Henry Kissinger“ im vergangenen Jahr als Kriegsverbrecher porträtiert, der während seiner aktiven Zeit eine blutige Spur von Indochina bis Chile zieht. Doch all die Belege, die Hitchens zusammengetragen hat, prallen am medienöffentlichen Umgang mit Kissinger komplett ab. Noch immer ist Kissinger einer der gefragtesten außenpolitischen Experten für Fernsehinterviews, veröffentlicht Meinungsbeiträge in Zeitungen und bleibt von seiner Vergangenheit gänzlich unbehelligt. Und jetzt hat er wieder ein Amt.

Ob Kissinger im Rahmen seiner Nachforschungen nach Europa reist, sollte er sich überlegen. Der spanische Ermittlungsrichter Baltasar Garzón, der auf Betreiben etlicher Opferverbände die Verbrechen südamerikanischer Militärs im Rahmen der „Operation Condor“ verfolgt, will Kissinger unbedingt als Zeugen vernehmen. Und wenn Garzón etwas will, so durfte bereits Kissinger-Schützling Pinochet erfahren, dann kann das schiefgehen. BERND PICKERT

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