Das Leben der reichen Syrier: Sodom und Damaskus
Tags töten, abends tanzen: In den Clubs der syrischen Hauptstadt feiern waffenschwingende Assad-Getreue. Mit Alkohol, Drogen und Prostituierten.
DAMASKUS taz | Schwarze Limousinen mit glänzendem Lack, verdunkelten Scheiben und Stuttgarter Sternen auf der Kühlerhaube: Sie parken eine belebte Straße mitten im Zentrum von Damaskus zu. Es gibt kein Durchkommen mehr für die anderen Verkehrsteilnehmer. Doch keiner der Autofahrer, denen die parkenden Luxuskarossen ihren Weg versperren, wagt sich zu beschweren. Lieber wenden sie und fahren zurück in die Richtung, aus der sie gekommen sind.
Denn diese teuren Autos gehören denen, die das Sagen haben in Syrien unter Baschar al-Assad. Die Autos repräsentieren die Macht und den Einfluss ihrer Besitzer, nach deren Regeln das Leben und der Alltag in diesem Teil Syriens noch verlaufen. Es sind die Wagen der Minister, der Gouverneure, der Generäle, der Geheimdienstchefs, der reichen Geschäftsleute und ihrer Söhne und Cousins. Und nicht selten ist der Geheimdienstchef oder der Gouverneur gleichzeitig ein reicher Geschäftsmann.
Der Straßenzug, in dem sich diese Karossen aneinanderreihen, liegt vor dem Eingang zum Omayad-Hotel, auf dessen Dach sich die Z Bar befindet. Doch wer auf dem Roof Top feiernd den tollen Panoramablick auf die Lichter der Stadt genießen will, muss zuerst an den strengen Sicherheitskontrollen und Türstehern vorbei. Wer in Damaskus nicht über die besten Kontakte verfügt, wird niemals eine Einladung zu einer der legendären Feiern in dem Penthouse erhalten. In der Z Bar ist jede Party eine geschlossene Gesellschaft.
Hier hoch oben über den Dächern von Damaskus tanzt die Elite unbehelligt von den Kämpfen, die an der nur wenige Kilometer entfernten Front toben. Die aus den Lautsprechern dröhnende Technomusik eines DJs aus Beirut übertönt den Lärm explodierender Raketen und Granaten, die auf die Stadt niedergehen und deren Echo von den Hängen des Damaszener Hausberges Kassiun in den Straßen des Zentrums ihren Widerhall finden.
Ehemaliger freier Mitarbeiter, die taz hat 2014 die Zusammenarbeit beendet.
Zu dem Technobeat räkeln sich leicht bekleidete Damen auf der Tanzfläche. Auf den Tischen in den dunklen Nischen der Separees stapeln sich Champagnerflaschen. Die Party befindet sich auf ihrem Höhepunkt. „Willkommen in der Z Bar, dem perfekten Ort, um über den Gefallenen auf den Schlachtfeldern zu tanzen“, ruft ein Gast dem Besucher aus Deutschland zu.
Eine Schlägerei und der Club wird dichtgemacht
„Sie töten am Tage und feiern in der Nacht“, kommentiert draußen auf der Straße ein junger Mann, der von früh bis spät in einem Supermarkt schuften muss, die in der Z Bar feiernde High Society. Die Besitzerin des Nachtclubs ist eine syrische Christin, die an einer Universität in der Schweiz Touristik studiert hat. Sie führt das Omayad-Hotel, das ihr Vater gründete, in der zweiten Generation. Dass ihr Publikum nicht über jeden Zweifel erhaben ist, lässt der Umstand erahnen, dass die Party kurz vor zwei Uhr wegen einer Schlägerei beendet und der Club von Sicherheitskräften geräumt werden muss.
Im Damaskus von heute findet sich die Gewalt nicht nur an der Front, sondern auch auf der Tanzfläche wieder. „Dass wegen der Schlägerei sofort der ganze Club geschlossen wurde und nicht wie gewöhnlich die Störenfriede herausgeschmissen wurden, zeigt, dass die Rabauken zu den ’Unkickables' gehören“, erklärt ein Beobachter der Szenerie auf Englisch. Seine Wortschöpfung ’Unkickables‘ ist eine treffende Umschreibung für den VIP-Status der betrunkenen Schläger, die zu wichtig sind, um sie hinausschmeißen zu können. Damit sie ihr Gesicht wahren können, müsse halt der ganze Club dichtgemacht werden, so der Beobachter.
Zum Glück liegt nicht unweit vom Omayad-Hotel die nächste Fünf-Sterne-Herberge, das Cham Palace mit seinen beiden Nachtclubs „VIP“ und „Lavo“. Den Teil der Feierwütigen aus der Z Bar, der noch laufen kann, zieht es nun dorthin.
Im Lavo, einem ebenfalls regimenahen Club, geht es etwas derber zu. Die Huren sind keine High-Class-Escorts wie in der Z Bar. Sie riechen nach billigem Parfüm, sind zu stark geschminkt. Auf der Tanzfläche tragen die Männer ihre Pistolen nicht diskret unter dem Jackett, sondern wedeln mit ihren Waffen beim Tanzen in der Luft herum.
Wen es bei diesem archaischen Männlichkeitsritual waffenschwenkender Regimegetreuer im Lavo schon graust, dem sei von einem Weiterziehen in die XS Bar abgeraten. Dort tummeln sich Kraftprotze, die von ihrer Statur her manchem Bodybuilder Konkurrenz machen würden.
Der Club gilt als Ausgehort der Schabiha. Schabiha-Milizen werden die irregulären, bewaffneten Gruppen bezeichnet, die von Fawas al-Assad und Mundhir al-Assad geführt werden, beide sind Cousins des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Mit zunehmender Intensität des Konflikts wurden die Schabiha-Milizen immer mehr zu einem Werkzeug des Regimes zur Niederschlagung des Aufstands.
In der XS Bar bekommt man alle Drogen
Einer der Männer, der diese Nacht durch die XS Bar geistert, ist Haydar. Über seiner Glatze trägt er ein kariertes Kopftuch, auf seinem rechten Oberarm ist ein schwarzes Schwert mit Rillen tätowiert. Die Tätowierung zeigt das Zulfiqar, das Schwert des Propheten Mohammed, das dieser in der Schlacht von Badr als Beute erhalten hatte und später in den Besitz seines Schwiegersohnes Ali ibn Abi Talib geriet. Es ist das wichtigste Symbol der Schiiten.
„Die XS Bar ist der Ort, an dem ich unter meinen Freunden bin und wir so heftig feiern können, wie wir wollen“, sagt Haydar während er sich zu mir vorbeugt, damit ich ihn bei der lauten Musik verstehen kann. Er riecht nach Schweiß und Alkohol. Von der XS Bar ist bekannt, dass man hier alle Drogen bekommt, die Damaskus zu bieten hat. Vor dem Ausbruch des Kriegs seien Heroin und Kokain am beliebtesten gewesen, erzählt Hussein, ein Freund von Haydar. „Jetzt allerdings stehen Crack und Ecstasy hoch im Kurs“, sagt er.
Nur ein paar Schritte Richtung syrischer Zentralbank sind es von der XS Bar bis zum Al Wasim Night Club. Hier kommt her, wer sich beim Dinner die Gesellschaft einer Prostituierten leisten kann. Es ist Hauspolitik des Al Wasim, dass Freier und Freudenmädchen nie gemeinsam den Club verlassen, sondern aus Gründen von Anstand und Diskretion mit kurzem zeitlichem Abstand vom Tisch aufstehen.
Auf die Frage, ob dies nicht ein ziemlich plumper Ansatz sei, Prostitution zu verschleiern, bestreitet der Platzanweiser des Al Wasim, dass es zur Anbahnung von Kontakten komme: „Wir unterhalten und bekochen unsere Gäste nur. Anschließend geht jeder Gast seiner eigenen Wege.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja