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Das Ende der Gemütlichkeit

■ Zunehmende Grobheit im österreichischen Fußball / Rapid Wien schon wieder auf Meisterschaftskurs

Berlin (taz) - Lange Jahre galt die österreichische Fußball–Liga als letztes Refugium der Gemütlichkeit, wo in aller Ruhe gescheiberlt wurde und ansonsten jeder jeden in Frieden ließ. Damit ist es vorbei. Auch in den Alpen weht inzwischen ein rauher Wind, nicht zuletzt ein Verdienst von Hansi Müller. Der einstmals so brave Schwabe, den vom VfB Stuttgart eine glücklose Wanderschaft über Mailand und Como in die österreichischen Berge führte, hat in Italien doch etwas gelernt, das Austeilen von Ohrfeigen nämlich. Bei Inter Mailand noch bevorzugtes Backpfeifenopfer seines Mannschaftskameraden Altobelli, teilt er als Regisseur des FC Tirol in Innsbruck nunmehr selbst aus. Beim 3:1 gegen VOEST Linz bereitete er nicht nur alle drei Tore vor und schoß einen Elfmeter an den Pfosten, sondern ohrfeigte auch einen Linzer Spieler. Hinter dem Rücken des Schiedsrichters allerdings, was ihm die rote Karte ersparte. So ist es weiterhin fraglich, ob er den österreichischen Rekord, den er letztes Jahr aufstellte, vier rote Karten in einer Saison, in dieser Spielzeit verbessern kann. Ebenfalls in Linz kam es vor zehn Tagen zu einem anderen Schlagabtausch. Der Grazer Trainer Pinter griff einen Balljungen an, woraufhin er von Chef–Ordner Süßner mit einem Kopfstoß zu Boden gestreckt wurde. Diesen wiederum schlug ein Grazer Ersatzspieler nieder. Für den mit einem Hirn–Schädel–Trauma ins Krankenhaus gebrachten Pinter sprang der deutsche Import des Grazer AK, Dieter Schatzschneider, als Coach ein. Das Spiel endete wie die Schlägerei: 1:1. Obwohl dem FC Tirol aus Innsbruck gegen Linz der zweite Saisonsieg gelang, sind die hoffnungsfrohen Erwartungen bisher nicht erfüllt worden. Dabei hatte der Sponsor wirklich tief in die Tasche gegriffen. Er holte Ernst Happel als neuen Trainer nach Innsbruck, luchste Sturm Wien seinen besten Stürmer ab und rief im letzten Augenblick, fünf vor zwölf gewissermaßen, den Österreicher Bruno Pezzey aus Bremen in die Heimat zurück. Das Rezept, das dem FC Svarovski Tirol, wie der Club offiziell nach seinem investitionsfreudigen Sponsor heißt, den Erfolg bringen soll, ist klar: Das Management setzt auf altgediente bewährte Kräfte aus der Bundesliga. Die Verpflichtung Hansi Müllers, heute Tirols überzeugender Spielgestalter, erwies sich schließlich auch als Glückstreffer. Doch bisher blieb die Mannschaft weit hinter den in sie gesteckten Erwartungen zurück. Zwar ist der als Wunderdoktor geholte Happel der erhoffte neue Besen, doch kehren tut er noch nicht besonders gut. Vom Training schwärmt Hansi Müller: „Das ist eine andere Welt!“, aber im ersten Spiel setzte es eine schmachvolle Niederlage gegen Schatzschneiders und Pinters Grazer AK, der ein blamables Unentschieden gegen Sturm Graz folgte. In den ersten fünf Saisonspielen wurden nur 5:5 Punkte erreicht. Das Monopol auf den Meistertitel haben sowieso seit jeher die beiden Wiener Clubs, Rapid und Austria. So auch in der letzten Saison. Austria durfte die ganze Zeit über den ersten Platz innehaben, um ihn dann am letzten Spieltag an Rapid abzugeben. Auch in den anderen Wettbewerben, Pokal und Supercup, hatte Rapid die Nase vorn, die leerausgegangenen Austrianer sind deshalb in der neuen Runde besonders scharf. Ihre Formation blieb weitgehend die gleiche, bis auf Torjäger Toni Polster, der zum AC Turin ging. Dreh– und Angelpunkt der Mannschaft ist nach wie vor unangefochten ein anderer Italienheimkehrer und Altobelli–Gefährte: „Schneckerl“ Prohaska, nun schon etwas in die Jahre gekommen. Doch die Rapid–Mannschaft des redefreudigen Jugoslawen Otto Baric, der vor wenigen Jahren ein glückloses Gastspiel beim VfB Stuttgart gab, steht schon wieder unangefochten an der Spitze. Die Schlüsselpositionen hat Baric zwecks problemloser Kommunikation mit seinen Landsleuten Kranjcar und Hristic besetzt, hinzu kam ziemlich sensationell ein sowjetischer Nationalspieler: der 30jährige Mittelfeldstratege Sergej Schlawo von Torpedo Moskau. Mit 10:0 Punkten führt Rapid die Tabelle an, seine letzten elf Liga–Spiele hat der Club allesamt gewonnen. Der Übermacht der Rapidler scheint kaum jemand etwas entgegenzusetzen haben, und Ernst Happel muß langsam erkennen, daß selbst in Tirol die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Dafür kann er sich jetzt heimlich seinen geliebten alten Club Rapid, bei dem er in seiner aktiven Zeit zusammen mit Max Merkel ein äußerst merkwürdiges Verteidigerpaar bildete, im Fernsehen anschauen, und in der Kunst, auch mit wenigem zufrieden zu sein, hat er sich ja lange genug beim Hamburger SV üben können. Wenzel Müller/Matti

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