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Das Einhorn als Zaungast

■ Klaus Fußmann in der Bremer Kunsthalle / Geheimnisvolle Blumen, laublose Bäume

Die ersten Bilder sind fast leer. Sie zeigen kahle Innenräume, Fußböden, Wände, Ecken. Gelegentlich ist an einem Bildrand ein Fenster angedeutet. Auf dem Boden liegen Malutensilien: Pinsel, Farbtiegel. Kritzeleien an den Wänden und Jacken — wie leere Hüllen — deuten an, daß Menschen diese Räume einst bewohnt haben.

Serien von „Interieurs“ und Stilleben — Schränkchen voller Flaschen und Tiegel — stehen am Anfang von Klaus Fußmanns Schaffen in den Sechzigern. Die erste Landschaft, die der Künstler dann gemalt hat, war eine Müllhalde.

Die Ausstellung des Malers Klaus Fußmann (Jg.'38) in der Bremer Kunsthalle konzentriert sich auf seine jüngsten Werke: Bilder, die in den späten Achtzigern und in den Neunzigern entstanden sind. Werke, die noch in keiner Ausstellung zu sehen waren.

Doch einige frühe Bilder sind dabei, die zeigen, wie Fußmann sich die Farbe erobert hat: Langsam und vorsichtig. Erst nach und nach werden die Gegenstände fester, greifbar, die Welt des Klaus Fußmann wird realer und öffnet sich. Der Maler verläßt die vier Wände seines Ateliers.

Von Berlin zog er aufs Land, nach Schleswig-Holstein den Sommer über, und begann, Landschaften zu malen: grellgelbe Rapsfelder, Wälder aus dürren, laublosen Bäumen, Gärten voller dunkler, geheimnisvoller Blumen, dazwischen Schwarz. Die Farben sind bei Fußmann ähnlich bedrohlich wie die verlassenen Häuser, die er vorher gemalt hat. Hinter Gittern aus dürren Ästen und Baumstämmen Menschen, von deren Gesichtern häufig nur Augen- und Mundhöhlen zu erkennen sind.

In den Landschaften stellt Fußmann Spiegel auf — wie ein Geist erscheint das Selbst im Spiegel, vor Bäumen oder vor dem Fensterkreuz mit Ausblick auf einen winterlichen Garten. Fußmann hat neue Themen für seine Bilderserien gefunden: den Übergang von drinnen nach draußen und die „im Spiegel zerspringende Wirklichkeit“

Ein Motiv kehrt ab 1987 immer wieder: ein Fallschirmjäger, der über einem Feld abstürzt. Später nennt Fußmann ihn „Ikarus“. Rauch steigt vom Feld auf, und Ikarus fällt aus den Wolken ins Unendliche. Im Vordergrund ein Einhorn — das Fabelwesen als Zaungast.

Die Farbe hat auf Fußmanns Ölbildern eine stoffliche Qualität. Immer dicker, mit vielen Pinselstrichen, ist sie aufgetragen. Fast ein Halbrelief ist „Dahlien“ 1990: „Im kommenden Verfall werden die Dahlien taumelnd und changierend von einem moribunden Zustand in den anderen dahinsinken. Sie werden zunächst noch lockerer und noch üppiger aufblühen und dabei immer todessüchtiger werden. Die Blumen werden in Schönheit sterben“, schreibt der Künstler, der seit 1974 Professor an der HdK in Berlin ist.

„Handwerk hat goldenen Boden“, sagte Fußmann in einem Interview. Die Technik der Radierung beherrscht er genauso wie Aquarell- und Ölmalerei oder Linolschnitt: „Ich liebe Kunst, die Meisterschaft zeigt.“

Dennoch ist Fußmann ein schneller Maler, fast hektisch in dem Versuch, Stimmungen und Augenblicke einzufangen. Nicht nur die Vergänglichkeit und den Nebel, auch die Sinnlichkeit will er fassen: „Jedes gemalte Bild ist zum Scheitern verurteilt, wenn sich nicht ein Hauch von Eros überträgt.“

Diemut Roether

Zur Ausstellung hat die Kunsthalle einen umfangreichen Katalog herausgebracht; die „Ansichten“ sind bis 25.Oktober zu sehen.

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