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Das Ding, das kommtPost vom Grummler

Sicher: Pakete müssen mehr denn je durch die Gegend gefahren und in die Mietshäuseretagen gewuchtet werden: Wer online irgendwas bestellt, hat ja nicht zuletzt wesentliche Teile der Arbeit delegiert; er lässt andere laufen, schleppen, schwitzen. Nähren all die Paare Schuhe und superbilligen Haushaltskleingeräte Logistikdienstleister, Pappkarton-, Luftpolsterumschlag- oder auch Lieferwagenhersteller, ist an anderer Stelle ein Rückgang feststellbar: Wo zunehmend auf elektronischen Wegen getextet wird, da werden keine Briefe mehr geschrieben, oder zumindest nicht mehr so viele; etwas, mit dem sich die Post-Oberen schon mindestens seit der Jahrtausendwende zu beschäftigen haben (und mit der flächendeckenden Einführung des Telefons ein paar Jahrzehnte zuvor müssten sie Verwandtes auch schon erlebt haben).

Dass der Brief mal mehr war als bloß ein Medium behördlichen Denkens (Schriftform zwecks Rechtssicherheit!), dass er vielmehr spezifisches ­Schreiben von eigener Schönheit ermöglichte, wenn nicht erforderte: Davon kündet ein jetzt erscheinendes Bauch mit „nicht weggeschmissenen Briefen“ an den und von dem großen Autor, Übersetzer, Vortragskünstler und Eppendorfer Harry Rowohlt (Kein & Aber Verlag, 352 S., 20 Euro); übrigens schon der dritte Band seiner Art – der Mann hat vielen Leuten vieles geschrieben. Weil der Pooh-der-Bär-Vermittler ganzer Generationen im Vorjahr verstarb, kam es nicht zur geplanten Lesung in Hamburgs Freier Akademie der Künste, deren Mitglied er 2013 geworden war. Also erinnern nun einige seiner Korrespondenzpartner an den großen Grummler, der nie den Schritt von der Schreibmaschine an den Computer machte.

In anderem Sinne altmodisch: Das Bremer Overbeck-Museum hat Schulkinder so schreiben lassen, wie es einst das Gründer-Ehepaar füreinander tat, also im Stil des 19. Jahrhunderts. Ob es zu früh ist, daraus eine Hoffnung abzuleiten – und sei es für die Post-Oberen und ihre künftigen Bilanzen? aldi

„Und Tschüs …“-Buchpremiere mit Olli Dittrich, Gregor Gysi, Gerhard Henschel, Eva Menasse, Frank Schulz, Tilman Spengler und Tina Uebel: Mo, 3. Oktober, 19 Uhr, Freie Akademie der Künste, Hamburg

Die Briefe der „Overbeck-Klasse“ sind ab sofort im Kinder-Kunst-Raum des Overbeck-Museums ausgestellt: Altes Packhaus Vegesack, Bremen-Nord

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