Das Börsenjahr 2011: Welt der Aktien im Wandel
"Überwiegend heiter" - das prognostizieren Analysten dem Börsenjahr 2011. Als Sieger gelten schon jetzt deutsche Aktien. Es wird aber auch Verlierer geben.
Weltökonom Helmut Schmidt kritisierte vor kurzem auf dem "Deutschen Wirtschaftsforum" im Hamburger Michel die deutschen Exportüberschüsse. Auf Dauer seien sie kein Erfolgsrezept für Wohlstand, "man verkauft Waren und erhält dafür nur Papiergeld". Was den SPD-Altkanzler ärgert, erfreut weltweit Finanzinvestoren. Aktien von deutschen Exportfirmen gelten als Renditerenner für 2011.
Die Aktienmärkte nahmen im zurückliegenden Jahr die wirtschaftliche Belebung vorweg - und den Wandel der Wirtschaftswelt: Westeuropa und Nordamerika verlieren an Macht, während Asien ebenso wie Brasilien an Gewicht gewinnt.
Weiterhin kämpfen die Vereinigten Staaten mit hoher Arbeitslosigkeit, trotz üppiger Staatsausgaben und binnenmarktorientierter Ökonomie. Dazu trägt der hohe Dollarkurs bei, was Exporte verteuert. "Die Währungsrelation von Dollar zu Yuan ist offensichtlich falsch und fördert die amerikanische Stagnation", beschreibt Winfried Hutmann, Geschäftsführer des Vermögensverwalters Frankfurt-Trust, einen der Krisenherde.
Auch Europa wird 2011 vor einer Zerreißprobe stehen. Die gemeinsame Währung von Ländern, deren Wirtschaftsentwicklung nicht, wie von den Euro-Gründern einst erhofft, in eine Richtung verläuft, steht auf dem Prüfstand der Finanzmärkte.
Angesichts der unsicheren Lage überrascht der Optimismus von neun von zehn Finanzanalysten. So sehen Commerzbank und Frankfurt-Trust die Aussichten für 2011 "überwiegend heiter". Für Heiterkeit sorgen Rohstoffe.
Die Preise für Metalle, "Lebendvieh" und Gold stiegen 2010 teilweise rasant an - und damit deren Notierungen an den Börsen. Nahezu alle Analysten rechnen mit einem anhaltenden Wachstum der Schwellenländer und darum mit stark steigender Nachfrage nach Rohstoffen.
Zu den Siegern in der wackeligen Wirtschaftswelt zählen auch Aktien. Irgendwohin muss das Finanzkapital ja fließen, und angesichts der historisch niedrigen Leitzinsen von Fed, Europäischer Zentralbank und Bank von England sind verzinste Anleihen und Bankguthaben unattraktiv. Insbesondere deutsche Aktien gewinnen: "From zero to hero" - von der Null zum Helden - schreibt Deutsche Bank Research.
Mit einem Wachstum von etwa 3,7 Prozent nähert sich Deutschlands Wirtschaft dem Vorkrisenniveau und ist in Europa neben den Nicht-Euroländern Polen und Tschechien Spitzenreiter. Der Export brummt, und für 2011 erwarten fast alle Forschungsinstitute ein Wachstum von 2,0 bis 2,5 Prozent. Die Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften in der letzten Dekade, Rationalisierungsinvestitionen und der Aufbau neuer Fertigungskapazitäten haben viele mittlere und große deutsche Aktiengesellschaften zu attraktiven Anlagen gemacht.
Zudem sichern sich deutsche Unternehmen durch Übernahmen Marktpositionen in wichtigen Schwellenländern. Der deutsche Aktienindex DAX kletterte 2010 von unter 6.000 auf über 7.000 Punkte. Die Gewinne der Konzerne dürften noch schneller steigen. Fachleute halten für 2011 mehr als 8.000 DAX-Punkte für wahrscheinlich.
"Auf jeden Fall nimmt die Attraktivität deutscher Industriepapiere immer mehr zu", versichert Oliver Drebing vom Analysehaus SRH Alster-Research. "Angelsächsischen und anderen internationalen Investoren ist das schon lange aufgegangen. Sie haben über die letzten Jahre ihren Anteil am deutschen Aktienkapital beträchtlich ausgeweitet." So halten ausländische Anleger am Grundkapital von Siemens schon über 70 Prozent.
Doch gibt es auch vorsichtigere Stimmen. Trotz der prognostizierten Aktien-Rallye weist Rupert Watson von der Investmentgesellschaft Scandia Global Funds auf Unsicherheiten hin, die "höher sein werden als in früheren Krisenzeiten". Damit rechnet auch Weltökonom Schmidt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Krieg in Gaza
Kein einziger Tropfen sauberes Wasser
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus