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Darf's ein Zweitligatorwart mehr sein?

■ St. Pauli rätselt vorm Spiel in Hannover über die passende Zahl an Torleuten Von Clemens Gerlach

Vor wenigen Wochen sah die Zukunft für Klaus Thomforde gar nicht rosig aus. Der Torwart des FC St. Pauli hatte beim Zweitligisten seinen Stammplatz auf der Auswechselbank sicher, denn mit René Müller war ein bundesligaerfahrener Keeper ans Millerntor geholt worden. Wie schon zuvor hinter Andreas Reinke war der Finanzbeamte nur Ersatz.

Doch schneller als alle dachten, wendete sich das Blatt. Erst patzte Müller bei TB Berlin, dann versagten ihm gegen Leipzig die Nerven. Thomforde war wieder da, mit ihm im Tor holte Pauli 7:1-Punkte in Folge. Inzwischen kann nicht einmal mehr behauptet werden, Müller sei nur noch die Nummer zwei. Der Grund: Beim ehemaligen DDR-Auswahlspieler wurde ein Meniskusschaden festgestellt, der kommenden Montag operativ behoben werden soll. „Es ist nicht klar, ob er wieder spielen kann“, weiß auch Manager Jürgen Wähling nicht, wie es mit dem 35jährigen weitergehen wird.

Eine verzwickte Situation für den Kiezclub, der neben Thomforde keinen zweitligatauglichen Torhüter hat. Kim Seidler und Matthias Jahnke, beide von den Oberliga-Amateuren, können berufsbedingt nicht regelmäßig trainieren. „Das ist auf Dauer keine Lösung für einen Profiverein“, sieht auch Wähling Handlungsbedarf. Jedoch mitten in der laufenden Serie einen neuen Torwart zu holen, ist nicht nur kostspielig, sondern könnte sich, sollte Müller wieder fit werden, auch als Schuß in den Ofen erweisen. „Was sollen wir mit drei Mann?“ fragt sich Wähling zu Recht.

Mit Jens Böse vom Regionalligisten VfL 93 steht ein geeigneter Kandidat (wie schon vor Saisonbeginn) bereit, doch VfL-Manager Coppy Beck fordert mehr als 200.000 Mark Ablöse. „Das zahlen wir nicht“, so Wähling bestimmt. Er will noch zwei, drei Wochen warten, bis von ärztlicher Seite über Müllers Rekonvaleszenz-Chancen entschieden werden kann: „Solange können wir keinen neuen Torwart holen.“ Was aber, wenn sich Thomforde vielleicht schon bei Hannover 96 (heute um 20 Uhr) verletzen sollte? „Dann stehen wir ohne Zweitligatorwart da.“ Und wie die Deppen.

Für Thomforde hingegen könnte die Situation, laut Wähling eine „heikle Sache“, nicht besser sein. Täglich wird er gebauchpinselt und hofiert – Zuwendungen, die der 32jährige jahrelang nicht genießen durfte. Bleibt für den 1,91 Meter-Mann nur die Frage, die er sich momentan lieber nicht stellen möchte: Was passiert, wenn René Müller sich zum Fall für die Berufsgenossenschaft entwickeln sollte?

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