Darf man Kinder in Cafés wickeln?: Braun ist nicht nur Schokolade
Die Eltern sitzen gemütlich bei Kaffee und Kuchen, der Nachwuchs macht die Windel voll. Was nun? Das Kind im Café wickeln? Darf man das?
Adolph Freiherr Knigge, der geistige Schirmherr der neuen Sonntaz-Kolumne „Knigge“, macht in seinem Buch „Über den Umgang mit Menschen“ leider einen weiten Bogen um dieses ebenso heikle wie schmutzige Thema. Die Frage verdient also, dialektisch in die Zange genommen zu werden. Dürfen Eltern ihre Kinder in Cafés wickeln?
Sie müssen, sofern sie nicht spornstreichs aufbrechen oder eine von Minute zu Minute ungünstigere Geruchsentwicklung in Kauf nehmen wollen. Zwar wäre hier einzuschränken, dass die mannigfaltigen Ergebnisse infantiler Darmtätigkeit optisch unerfreulich, olfaktorisch aber unbedenklich sind. Dieser Umstand wird aber keinen Gast besänftigen, der als unfreiwilliger Zeuge einer Wickelung erkennen muss, dass der Inhalt der Windel ästhetisch kaum von der Schokoladentorte auf seinem Teller zu unterscheiden ist.
Woraus sich für wickelwillige Eltern die goldene Regel ableiten lässt, den Nachwuchs so diskret zu versorgen, wie es die Umstände zulassen. Also auf jeden Fall nicht auf der Ebene der Speisen und Getränke, sondern eine Etage darunter, etwa im toten Winkel einer Eckbank, wo übrigens auch die Würde des Kindes gut aufgehoben ist. Bedenken kinderloser Menschen, denen Kinder generell eine Plage sind, dürfen unberücksichtigt bleiben. Diese Menschen sind frei, ungebunden und können daher jederzeit ein anderes Café aufsuchen.
In letzter Instanz aber entscheidet, ob in einem Raum gewickelt werden darf, wer diesen Raum zur Verfügung stellt und bewirtschaftet – also der Betreiber oder das Personal des Cafés. Wer Kinder und deren zahlende Eltern in seinem Etablissement ablehnt, sollte dies schon am Eingang durch entsprechende Schilder oder, radikaler, Poller gegen Kinderwagen deutlich machen.
Wer aber aus menschlichen oder wirtschaftlichen Erwägungen die krakeelende und kackende Kundschaft nebst erwachsener Begleitung nicht missen möchte, wäre bestens beraten, für den fäkalen Fall der Fälle bauliche Vorsorge zu treffen, und sei es auch nur mit einem Wickeltisch im Gang zu den Toiletten.
Um abschließend den Aufschwung ins Allgemeine nicht unversucht zu lassen: Eine aufgeschlossene Gesellschaft, die sich die Einrichtung spezieller Waschräume für sexuell Un- oder Umentschlossene verordnet, sollte darüber nicht vergessen, auch dem altmodischen Ergebnis heterosexueller Entschlossenheit entsprechende Räume zur Verfügung zu stellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich