piwik no script img

Daniela van Santen über Liebeskummer„Ich setze gerne Flöhe ins Ohr“

Früher hatte Daniela van Santen für jedes Problem eine Lösung parat, war als Unternehmerin erfolgreich. Dann bekam sie den schlimmsten Liebeskummer ihres Lebens - und wusste sich nicht mehr zu helfen. Inzwischen ist sie Profi in Beziehungsfragen und gibt ihr Wissen in ihrer eigenen Liebeskummer-Praxis weiter.

Will die Menschen wieder glücklich sehen: Daniela van Santen. Bild: Jens Wiesner
Interview von Katharina Gipp

taz: Wann hatten Sie das letzte Mal Liebeskummer?

Daniela van Santen: Ich war schon über 40, als es mich richtig erwischt hat. Ich kannte schon die schwächeren Varianten von Liebeskummer, aber so was hatte ich noch nie erlebt, auch nie für möglich gehalten. Ich hatte meine große Liebe nach 15 Jahren wiedergetroffen und konnte und wollte nicht verstehen, dass sich in der Zeit so viel verändert hat. Wie immer bei schlimmem Liebeskummer haben Kopf und Herz gegeneinander gekämpft und es gab keinen Gewinner. Für mich war es das Schlimmste, was mir je passiert ist. Vorher hatte ich für jedes Problem eine Lösung parat. Da konnte ich nicht mehr lösen. Dieser schlimme Liebeskummer war der Auslöser dafür, eine eigene Liebeskummer-Praxis zu eröffnen.

Wie äußert sich Liebeskummer?

Es gibt den klassischen Liebeskummer, für den man weder Coach noch Therapeuten braucht. Da helfen Standardtipps wie „Gehen Sie raus, lenken Sie sich ab“. Wenn man auch noch Freunde hat, die zuhören und trösten, hat man ihn schnell überwunden. Wenn man hingegen einen richtig schlimmen Liebeskummer hat, kann man nicht mehr vernünftig arbeiten, essen oder schlafen. Die Gedanken funktionieren nicht mehr. Oft kommen psychosomatische Erkrankungen, Magenprobleme, Rücken- und Kopfschmerzen und Hautausschläge dazu und die Ärzte finden keine Ursache.

Wie erkennen Sie, unter welcher Art Liebeskummer jemand leidet?

Bei mir dauert das Erstgespräch bis zu drei Stunden. Zuerst erzählt mir mein Klient seine Beziehungsgeschichte. Ich brauche einen Überblick, was in früheren Beziehungen passiert ist, was nicht verarbeitet worden ist. Dann kommen wir zu der eigentlichen Geschichte. Die lasse ich mir ausführlich erzählen und stelle Fragen. Dann habe ich schon ein ganz gutes Bild und beginne mit dem Coaching.

Wie kann man sich Ihr Coaching vorstellen?

Menschen, die zu mir kommen, haben oft ein schreckliches Chaos im Kopf. Der Kopf denkt „Er/sie hat mir dies und das angetan, eine Trennung wäre das Beste“. Das Herz schreit „Nein! Ich kann ohne ihn/sie nicht leben“. Ich denke dabei an das Bild von einem Wollknäuel. Der Beziehungsfaden ist verheddert und je mehr man darüber nachdenkt, desto weiter verknotet er sich. Zusammen mit meinen Klienten versuche ich, den Knäuel zu entwirren. Dazu verwende ich zum Beispiel sogenannte Wertekarten. Diese zeigen wichtige Aspekte in einer Beziehung, wie etwa Liebe, Vertrauen, gemeinsame Wünsche und Träume, Respekt. Mein Klient wägt ab, welche Aspekte auf seine Beziehung zutreffen. Wenn eine Beziehung in Ordnung ist, bleiben alle Karten liegen. Bei meinen Klienten ist das nicht der Fall.

Wie geht es nach der ersten Sitzung weiter?

Wir sehen uns in regelmäßigen Abständen und besprechen, was passiert ist und welche neuen Gedanken entstanden sind. Bei manchen Klienten setze ich Hypnose ein. Dabei geht es nicht darum, die Vergangenheit heraufzubeschwören, sondern darum, positive Gefühle zu verstärken. Ich kann und will den Menschen nicht verändern, aber man kann Verhaltensweisen ändern. Ich mache keine Therapie, sondern ausschließlich Coaching. In Notfällen muss sich was bewegen - und das möglichst schnell. Ich mache Vorschläge, gebe Ratschläge, zeige Möglichkeiten auf, schätze ein. Ich setze auch gerne Flöhe ins Ohr. Am wichtigsten ist mir aber, dass ich für den Klienten da sein kann, wenn er mich dringend braucht. Ich stehe jeden Tag bis weit nach Mitternacht zur Verfügung.

Daniela van Santen

51, ist im Münsterland aufgewachsen und 1992 nach Hamburg gezogen. Sie hat zwei Kinder, einen 26-jährigen Sohn und eine 16-jährige Tochter.

Seit 2005 arbeitet sie als Business-, Karriere- und Liebeskummer-Coach in Hamburg-Eppendorf, zuvor hat sie Psychologie an der Uni Hamburg studiert.

In ihrem Leben ist sie mit dem LKW durch ganz Europa gefahren, hat vier Modeboutiquen geführt und war Autorin in einem großen Musikverlag.

Woher stammen Ihre Coaching-Methoden?

Einiges stammt aus meinem Studium und aus der Coaching-Ausbildung. Aber für vieles brauche ich einfach Gespür und Erfahrung. Statt auf Familienfeiern mit anderen Kindern zu toben, habe ich mich schon früh dafür interessiert, was bei den Erwachsenen los ist. Meine Tante Waltraud hatte oft ein blaues Auge oder war im Krankenhaus. Es gab Ausreden wie der Staubsauger sei ihr ins Auge geraten. Mir war schnell klar, dass das nicht der Staubsauger war, sondern dass Onkel Heinz draufgehauen hat. Doch alle haben das gedeckelt. Da war mein Interesse geweckt und ich habe mich gefragt, warum Menschen so was machen. Warum verhalten sich jetzt alle anderen auch noch so seltsam? Warum verprügeln jetzt nicht alle Onkel Heinz? Diese Frage hab ich auch mal an der Kaffeetafel gestellt und prompt eine Ohrfeige kassiert. Ich hatte ins Schwarze getroffen. Beim Coaching ist es auch oft so, dass ich provoziere, Dinge klar anspreche, für Aufruhr sorge. Das ist eine Methode um Verhaltensmuster aufzubrechen und sie zu verändern.

Wann haben Sie Feierabend?

Einmal im Jahr fahre ich in den Urlaub. Die Ruhe brauche ich dann auch. Aber ich bin immer ein sehr kraftvoller Mensch gewesen. Von dieser Kraft kann ich abgeben, weil ich mit mir und meinem Leben absolut zufrieden bin. Durch meine Arbeit werde ich hochgradig gefordert, kein Fall gleicht dem anderen. Klienten sagen oft zu mir: „Das muss doch furchtbar sein, den ganzen Tag mit Menschen zu tun zu haben, die Ihnen ihre traurigen Geschichten erzählen“. Das ist es keineswegs. Die traurigen Geschichten sind meine Arbeitsgrundlage. Mein Ziel ist es, den Menschen wieder glücklich zu sehen.

Sie arbeiten erst seit ein paar Jahren als Liebeskummer-Coach. Welcher Weg hat sie dorthin geführt?

Nach dem Abi habe ich BWL studiert. Ich wusste nicht genau, was ich machen wollte, nur, dass ich irgendwann einmal selbstständig sein wollte. Dann gestand mir meine damalige Liebe, dass er schon immer davon geträumt habe, mit einem 40-Tonner durch Europa zu fahren. Ich hatte genug von Schule und Studium, bin für mein Leben gerne gereist, also habe ich ihn in seinem Vorhaben bestärkt. Wir haben einen Kredit für den LKW aufgenommen, eine Spedition aufgemacht und dann ging es los. Dann wurde ich überraschend schwanger. Das hat mich aber nicht gebremst. Erst schwanger und dann mit Baby sind wir mit dem LKW durch ganz Europa gefahren, bis der Kleine zu krabbeln anfing. Dann bin ich zuhause geblieben, bis mir die Decke auf den Kopf fiel. Ich musste wieder was machen. Nach der LKW-Zeit wünschte ich mir ein bisschen Schischi, also habe ich eine kleine Boutique eröffnet. Das Geschäft lief gut, so hatte ich bald vier Boutiquen - und war noch keine 30.

Was hat Sie dazu bewogen, damit aufzuhören, wenn Sie so erfolgreich waren?

Irgendetwas fehlte. Ich hatte alle Ziele erreicht, aber kaum noch Freundinnen. Viel Geld ist dann auf einmal gar nicht mehr schön. Ich war einsam, hatte aber auch gemerkt, dass diese Karriere und das ganze Geld, dass ich das eigentlich gar nicht bin. Dann war ich am Wochenende hin und wieder in Hamburg, um der Enge zu entfliehen, und habe Udo Lindenberg kennengelernt. Wenn zwei Menschen mein Leben beeinflusst haben, dann waren das Pippi Langstrumpf und Udo Lindenberg. Pippi Langstrumpf steht für mich dafür, unmögliche Ziele erreichen zu können. Udo Lindenberg machte mir als Teenager mit seinen Liedern Mut. Als ich ihn dann traf, passierte auf einmal so viel. Dann habe ich Klartext gedacht und beschlossen, die Boutiquen zu verkaufen. Alle haben mich für irre gehalten. Ich hatte aber einfach so ein Bauchgefühl. So bin ich dann nach Hamburg gezogen.

Haben Sie sich gleich ein neues Projekt gesucht?

Erst habe ich nichts gemacht. Ich wusste nur, da kommt noch was. Dann erlitt ich einen mittelschweren Liebeskummer und fing an, Songs zu schreiben. Was ich nicht zusammenhängend ausdrücken konnte, packte ich in Songtexte. Ein Freund aus der Musikszene hat mich dann überredet, ihm meine Texte zu zeigen. Er fand sie gut und hat mich mit ins Studio genommen. Das ging dann zu einem großen Verlag, der mir viel Geld anbot, wenn ich für ihn als Exklusiv-Autorin schreiben würde. Als der Weg in Richtung Plattenveröffentlichung ging, wurde ich schwanger. Da war Land unter und man versuchte teilweise echt massiv, mich zum Abtreiben zu bewegen. Ich weigerte mich und habe alles hingeschmissen. Ich habe meine Tochter zur Welt gebracht und bin mit ihr nach Sizilien gegangen. Es war immer mein Traum, längere Zeit im Ausland zu leben, um mal so richtig in eine andere Kultur einzutauchen. Als alleinerziehende Frau und ohne ein Wort Italienisch zu können, war es anfangs schwer, aber ich hatte wieder ein großes Ziel. Als meine Tochter sechs wurde und es an die Einschulung ging, bin ich wieder zurück in mein geliebtes Hamburg gezogen. Ich habe die Ausbildung zum Coach gemacht und Psychologie studiert.

Kennen Ihre Klienten Ihre Vorgeschichte?

Ich erzähle das eigentlich nie. Nachher denken sie noch, „was ist das denn für eine Wilde, die kann mich gar nicht verstehen“. Dadurch fällt es mir nicht schwer, mich in die verschiedensten Menschen hineinzuversetzen und ihnen Mut zu machen. Für mich ist einfach nur meine Entwicklung. Ich habe mir immer Träume erfüllt, wenn es möglich war und andere nicht darunter leiden mussten. Ich bin im Leben unterwegs und sammele Geschichten. Die schönen hebe ich auf und sie geben mir Kraft, wenn es mir mal nicht so gut geht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 /