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Daniél Kretschmar über die Randale in Heidenau und den „Säxit“Sachsen bleibt deutsch

Mit Blick auf die Ausschreitungen in Freital und Heidenau ist es sicher nicht abwegig, die offen zur Schau gestellte brutale Provinzialität, den Rassismus und die Gewaltbereitschaft für ein speziell sächsisches Problem zu halten. Kaum sonst wo gibt es derzeit so viel unverstellten Hass, so viele Bilderbuchnazis.

Ebenfalls ist es nicht ganz abwegig, scherzen zu wollen, Sachsen möge Deutschland doch einfach verlassen und sich in seiner selbstgefälligen Nichtigkeit suhlen. „Säxit“ wird das genannt. Das Wort geistert als verzweifeltes Witzchen durch die Welt.

Das ist nicht lustig, denn es wird ein hässliches Deutschland konstruiert, dass da existiere in einem geografisch klar umrissenen Raum, repräsentiert von einem spezifischen Schlag Mensch. Dagegen sollen Vernunft, Barmherzigkeit und zivilisierte Bürgerlichkeit im Rest des Landes stehen – eine Bürgerlichkeit, die mit Kurt Biedenkopfs Beamten- und Politikerkaste doch vor 25 Jahren importiert und seitdem in jeder Wahl mit großer Mehrheit bestätigt wurde. Biedenkopfs Erbe, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, sagt über die Ausschreitungen: „Das ist nicht unser Sachsen.“ Doch, das ist unser Sachsen. Und es ist auch unser Deutschland, jenes Land, das an vielen Orten kaum in der Lage sein will, aus Kriegsgebieten Geflüchteten ein festes Dach über dem Kopf anzubieten. Jenes Land, dessen Innenminister laut darüber nachdenkt, Asylbewerbern noch die jämmerlichsten Almosen zusammenzukürzen.

Säxit – das ist der Wunsch, das „Böse“ einfach abstoßen zu können, die Nazis rauszuschmeißen, als gehörten sie nicht dazu. Dabei sind die Verhältnisse in Sachsen nur Folge über Jahrzehnte gewachsener deutscher Zustände und ihr perfekter Ausdruck. Dieser Landstrich ist eine Ausnahme nur insofern, als dass er Avantgarde ist; eine Ankündigung dessen, was da noch kommen mag. Deshalb: Säxit? Da könnte man Deutschland auch gleich ganz auflösen.

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