Daniél Kretschmar über Flüchtlinge in Slowenien: Unsere Grenze
Eine Sitzung brauchte das slowenische Parlament, um Soldaten an die südliche Grenze des Landes zu schicken und damit faktisch den Ausnahmezustand auszurufen. Mit großer Mehrheit wurde in Ljubljana das Militär beauftragt, Aufgaben der Polizei und des Grenzschutzes zu übernehmen.
Sicher, die Situation an der kroatisch-slowenischen Grenze ist dramatisch. Mehr als 20.000 Geflüchtete sind in den letzten drei Tagen über Kroatien in das 2-Millionen-Einwohner-Land gekommen. Etwa die Hälfte befindet sich noch in Slowenien.
Die Klage slowenischer Politiker über die Untätigkeit der EU und die mangelnde Kooperation Kroatiens ist zwar völlig berechtigt, die Verantwortung dafür, dass im Parlament in großer Eile eine Notstandsgesetzgebung durchgepeitscht wird, liegt aber erst einmal in Ljubljana.
Immerhin tritt das Gesetz erst in einer Woche in Kraft. Vielleicht nutzt Slowenien diese Atempause, um die schlimmsten Schnitzer des Verfahrens zu beseitigen. Nicht nur die Kompetenzen der Armee sind ungenau definiert, es ist auch unklar, wie die Befehlskette zwischen Polizei und Militär aussehen wird.
In dieser Situation ist es die Aufgabe der EU, endlich eine koordinierte, humane und solidarische Lösung für die Probleme zu finden, die durch die große Fluchtbewegung entstehen. Hier nicht schnell zu reagieren wird den Druck auf die bisherigen Transitstaaten nur erhöhen. Panisch anmutende Reaktionen, wie die in Slowenien, würden so wahrscheinlicher.
Die unmittelbare Folge dieser Panik ist vorhersehbar: Geflüchtete, die in Kälte und Regen stehen, Manövriermasse einer erratischen Politik der Staaten, die sie durchqueren. Sie stehen vor Zäunen und geschlossenen Toren, die vielleicht von Sicherheitspersonal mit slowenischen, ungarischen, kroatischen Hoheitszeichen bewacht werden. Verantwortet werden diese Sperren jedoch von allen Mitgliedsstaaten der Union.
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