Daniel Baxzum halbherzigen stopp Der Abschiebung nach Afghanistan: Die Macht der Gewöhnung
Zuerst die gute Nachricht: Mehrere Bundesländer wollen sich nicht an der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber nach Afghanistan beteiligen, die das Bundesinnenministerium verlangt. Die schlechte Nachricht findet sich im Kleingedruckten: Für Straftäter und sogenannte Gefährder soll keine Ausnahme gemacht werden. Anders gesagt: Sie sollen weiterhin nach Afghanistan abgeschoben werden.
Es fällt schwer, diese Haltung der meist von SPD und Grünen regierten Länder jetzt als humanitäre Großtat zu feiern. Denn ist Afghanistan für Straftäter etwa sicherer als für andere? Nein. Der Bürgerkrieg ist im vergangenen Jahr in Afghanistan wieder eskaliert, die Zahl ziviler Opfer hat 2016 einen neuen Höchststand erreicht, auch viele Kinder sind unter den Opfern. Und welchen Sinn hat es, mutmaßliche „Gefährder“ in solch ein von Gewalt zerrissenes Land zurückzuschicken? Ist man etwa beruhigt, wenn sie anderswo Schaden anrichten? Diese Haltung ist schlichtweg zynisch.
Zur Erinnerung: Abschiebungen nach Afghanistan waren vor zwei Jahren noch undenkbar. Doch seit die Bundesregierung ein entsprechendes Abkommen mit Afghanistan abgeschlossen und kurz vor Weihnachten damit begonnen hat, kleine Gruppen von Afghanen in das Bürgerkriegsland auszufliegen, hat man sich an den Gedanken gewöhnt.
Der nächste Schritt werden wohl Abschiebungen nach Libyen sein. Dort will die EU jetzt Sammellager für Flüchtlinge errichten, die von der Küstenwache zurückgeschickt werden, und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann signalisiert bereits Zustimmung. Dabei ist das Land seit dem Sturz des Diktators Muammar Gaddafi 2011 im Chaos versunken. Für militärische Interventionen dieser Art war Geld da, zur Abwehr von Flüchtlingen sprudelt es auch. Nur für humanitäre Aufnahmeprogramme reicht es nicht aus, und im Wahlkampfjahr möchte sich auch niemand dafür starkmachen. Es ist ein Trauerspiel.
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