■ Querspalte: Daimler im Auspuff
Bisher war es noch immer so, daß derjenige, der Autos herstellt, nicht den Dreck einatmen muß, den die Blechkarossen später in die Luft blasen. Wer würde heutzutage sonst noch Autos bauen? Nur am Potsdamer Platz ist die Welt verkehrt: Daimler Benz droht im Qualm von Zwei- und Viertaktern zu ersticken. Denn eine der Ausfahrten des geplanten Straßentunnels unter dem Tiergarten wird unmittelbar vor der Haustür der Daimler-Tochter „Debis“ enden. Ein Gutachten der Deutschen Reichsbahn und der Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe, das der taz vorliegt, hat nun die Abgasmenge berechnet, die aus den Tunnelausfahrten wie aus einer Art riesigem Auspuff in die Berliner Luft geblasen werden. Ergebnis: das Gemisch aus Kohlenmonoxid, Stickoxid, Benzol und Dieselruß ist so giftig, daß „die Fassaden der Neubauten nahe den Tunnelausfahrten nicht für die Fensterlüftung geeignet sind“.
Toll, diese Koppelung von Handeln und Wirkung! Würde doch auch die Sonne den Chemiebossen sofort die Haut verbrennen können, die noch immer mit ihrer Produktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffen das Ozonloch zerstören. Würden die Chefs der Energiewirtschaft ins Schwitzen kommen, weil sie es noch immer verstehen, am Energieverbrauch statt am Energiesparen zu profitieren und dadurch die Erde aufheizen. Aber nix da. Daimler will nun weder seine Autoproduktion einstellen, noch den Tunnelausgang vor seiner Haustür zubetonieren. Statt dessen bastelt der Konzern jetzt an einer Art S-Klasse der Architektur. In der zwei Tonnen schweren Luxuskarosse sorgt ein Filter dafür, daß vorne nicht hereinkommt, was hinten herauskommt. Die Architekten des Daimler- Konzerns prüfen, ob eine Klimaanlage die Mitarbeiter in Berlin vor lästigen Autoabgasen schützen kann.
Wie immer also nix gelernt. Da besticht geradezu die Idee aus der Verkehrsverwaltung. Weil es an Geld mangelt, soll der Tunnel unter dem Tiergarten vorerst sowieso nur als Röhre ohne Ausgang gebaut werden. Egal ob nun eine Lösung mit Klimaanlage oder ohne Tunnelausfahrt: auch wenn die Bagger am Potsdamer Platz viel in Bewegung bringen werden – wer Autos baut, muß noch immer nicht deren Abgase einatmen. Und deshalb werden auch in Stuttgart munter weiter Autos mit mehr als 100PS vom Band rollen. Dirk Wildt
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