: Däubler-Gmelin zwischen den Stühlen
Herta Däubler-Gmelin bringt ihre Partei mit ihrer Doppelkandidatur für das Bundesverfassungsgericht und als stellvertretende SPD-Parteivorsitzende in eine brisante Lage ■ Aus Bonn Julia Albrecht
Herta Däubler-Gmelin will nicht mehr abwarten. Der Hängepartie, die sich aus ihrer Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht ergeben hatte, hat sie ein Ende bereitet, indem sie ihren Anspruch auf den stellvertretenden SPD-Vorsitz anmeldete. Abwarten, das legten ihr Hans-Ulrich Klose und Rudolf Scharping nahe, die allmonatlich öffentlich äußerten: „Wir halten an Herta Däubler- Gmelin als Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht fest.“ Sie sollte ausharren, so meinten der Fraktions- und der Parteivorsitzende der SPD, bis sie sie gegen die Phalanx der mehrheitlich im Wahlausschuß für die Bundesverfassungsrichter vertretenen CDU/ CSU-Mitglieder durchgesetzt hätten.
Dafür allerdings taten sie ernüchternd wenig. Einmal hat sich zwar Rudolf Scharping mit Kohl getroffen und dort gedroht und angekündigt, notfalls werde die SPD auch noch eineinhalb Jahre warten – dann nämlich möchte die CDU das nächste Mal einen Kandidaten durchsetzen – so recht erfolgversprechend jedoch ist diese Haltung nicht.
Jetzt will Herta Däubler-Gmelin ihre politische Zukunft wieder selbst in die Hand nehmen. Auf die Durchsetzungsfähigkeit der SPD- Oberen vertraut sie nicht länger. Der Alternative, alles auf die Bundesverfassungsgerichtskarte zu setzen und zu verharren, erteilt sie damit eine Absage. Zwar will auch Heidi Wieczorek-Zeul SPD-Vize- Chefin werden, aber die Anzeichen sprechen dafür, daß Scharping sich für Herta Däubler-Gmelin stark machen und sie als Kandidatin für den Parteitag im November vorschlagen wird. Darüber wird am kommenden Montag auf der SPD-Präsidiumssitzung entschieden.
Würde das Präsidium sich gegen Herta Däubler-Gmelin aussprechen, dann sieht sie ihren Stern, der sie zum Bundesverfassungsgericht bringen soll, abermals sinken. Ihre Kandidatur für den stellvertretenden Parteivorsitz bedeutet für sie nämlich keineswegs den Verzicht auf die Karlsruhe-Kandidatur.
Herta Däubler-Gmelin wurde in den letzten Monaten hart attackiert. „Gibt es sonst niemanden?“ höhnte beispielsweise Friedrich Karl Fromme, Leitartikler der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und diffamierte die Kandidatin, in seinen – sich vor allem inhaltlich – regelmäßig wiederholenden Artikeln. Ihre Karriere als hochrangige Partei- und Rechtspolitikerin der SPD lieferte den Vorwand für den ständigen Spott.
„Sie gilt als zu stark parteipolitisch festgelegt, auch als Persönlichkeit zu subjektiv für das Amt einer zur Objektivität verpflichteten Richterin.“ Niemals zuvor wurde gegen eine Kandidatur zum Bundesverfassungsgericht derart unter der Gürtellinie argumentiert. Ginge es um einen männlichen Kandidaten, käme niemand auf die Idee, das kämpferische Einstehen für Überzeugungen zum Vorwurf zu erheben. Bei einer Frau indes scheint der Vorwurf nahezuliegen, daß sie wohl eher mit dem Bauch denke, anstatt den Kopf zu benutzen.
Und dennoch. Mit ihrer gleichzeitigen Bewerbung für Partei- und Richterposten bringt die Kandidatin ihre Partei in eine brisante Lage. Sie fordert deren Engagement für zwei Ämter, die unvereinbar sind. Sollte sie eines Tages Bundesverfassungsrichterin werden, müßte sie augenblicklich alle Parteiämter niederlegen. Wenn Däubler-Gmelin sich doch noch als Verfassungsrichterin durchsetzen will, so werden viele argumentieren, dann sollte sie sich nicht mehr parteipolitisch exponieren. Auf das Amt als stellvertretende Fraktionsvorsitzende hatte sie auch diesem Grund bereits verzichtet.
Es wäre sehr verständlich, daß Däubler-Gmelin an ihrem SPD- Posten festhalten will, wenn die Bewerbung für Karlsruhe als aussichtslos erscheint. Aber dann würde auch von ihr erwartet, daß sie gleich den Weg freimacht, damit eine andere Kandidatin, zum Beispiel die Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach, eine Chance bekäme.
Die Geschichte ist verfahren, war es von Anfang an. Die CDU, allen voran Wolfgang Schäuble, hat der SPD übelgenommen, daß die Partei, nachdem man sich bereits in aller Heimlichkeit auf Jürgen Schmude als Mahrenholz- Nachfolger geeinigt hatte, auf einmal – öffentlich – Herta Däubler- Gmelin vorschlug. Seitdem hieß es bei der Union „Nein!“, wenn es um die Kandidatin ging: man fühlte sich durch das Verfahren brüskiert. Andere haben ihr die Parteikarriere zum Vorwurf gemacht.
Vor diesem Hintergrund ist denkbar, daß ihre neuerliche Bewerbung auf den SPD-Posten ein mögliches Einlenken bei der CDU in Sachen Bundesverfassungsgericht endgültig verbaut hat.
Hohn ist allerdings fehl am Platz. „Wenn Frauen was werden“ so eine taz-Leitartiklerin, als die SPD Däubler-Gmelin für Karlsruhe vorschlug, „dann nur auf Umwegen. Der Fall Herta Däubler- Gmelin beweist es drastisch.“
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