piwik no script img

Dänemark und EU-SicherheitspolitikRaus aus Europol

Das Land lehnt eine engere Zusammenarbeit mit den Polizei- und Justizbehörden der EU ab. 53,1 Prozent der Dänen stimmten dagegen.

Für manche ist das Ergebnis ein Grund zum Feiern: Johanne Schmidt-Nielsen von der Enhedslisten. Foto: dpa

Kopenhagen taz | Dänemark sagt mal wieder „Nej!“. Bei der achten Volksabstimmung, seit die DänInnen 1972 Ja zur Europäischen Gemeinschaft gesagt hatten, gab es am Donnerstag ein mehrheitliches Nein zu der Frage, ob das Land einen weiteren Integrationsschritt machen soll. 53,1 Prozent stimmten dagegen, dass Kopenhagen in Zukunft automatisch EU-Bestimmungen in 22 ausgewählten Bereichen der Innen- und Justizpolitik übernimmt. Sie wollen darüber wie bisher das eigene Parlament von Fall zu Fall entscheiden lassen. Nur 46,9 Prozent waren bereit, diesen Teil der nationalen Souveränität an Brüssel abzugeben.

Ganz anders hatte es noch im August ausgesehen, als Lars Løkke Rasmussen, Ministerpräsident der rechtsliberalen Minderheitsregierung, die Volksabstimmung ausgeschrieben hatte. Laut damaliger Umfragen wollten nur 22 Prozent Nein, aber 58 Prozent Ja zur Abschaffung des „Rechtsvorbehalts“ sagen. Der ist eine der vier Ausnahmen vom Maastricht-Vertrag, die Kopenhagen von der EU eingeräumt worden waren, nachdem ebenfalls bei einer Volksabstimmung eine Mehrheit der DänInnen 1992 die Zustimmung zu diesem Abkommen verweigert hatte.

Und eigentlich galt der breiten Ja-Phalanx, die neben einer Mehrheit der Parteien, auch die Gewerkschaften und Arbeitsgeberverbände umfasste, das Referendum über die justiziellen Ausnahmen als relativ unproblematischer Testlauf. Dem dann so nach und nach auch Volksabstimmungen zu den anderen Ausnahmen folgen sollten: Europäische Verteidigungszusammenarbeit, Euro und Unionsmitbürgerschaft.

„Ich habe es schwer, das Resultat zu verstehen“, meinte Nick Hækkerup, außenpolitischer Sprecher der oppositionellen Sozialdemokraten, die ein Ja empfohlen hatte. Die meisten Medienkommentare hatten am Freitag dieses Problem nicht. Man habe es weniger mit einer Abstimmung über die selbst für Fachleute schwer verständlichen Details des „Rechtsvorbehalts“ zu tun, sondern mit einer schweren Vertrauenskrise, die sowohl gegen die eigenen Politiker wie Brüssel ziele, konstatiert die liberale Politiken.

Misstrauen gegenüber EU

Ein Wunder sei es nicht, dass die WählerInnen angesichts des Bildes, das die EU derzeit abgebe, „dorthin nicht noch mehr Macht abgeben“ wollten, meint das ebenfalls liberale Ekstrabladet. Und die linke Information zielt in die gleiche Kerbe: Zu einer Union, deren demokratische Defizite nicht geringer, sondern immer grösser würden, könne man nicht Ja sagen, „selbst wenn der Nationalstaat auch keine Lösung ist“.

Das dänische Nein speiste sich aus mehreren Quellen. Von rechts, wo die sowieso grundsätzlich EU-skeptische „Dänische Volkspartei“ mit dem Argument, die Asyl- und Ausländerpolitik müsse in dänischen Händen bleiben, erfolgreich agierte - obwohl dieses Thema gar nicht zur Abstimmung stand. Aber auch von links, wo zwar als einzige Partei nur die „Einheitsliste“ mit „Demokratie und Offenheit“ für ein Nein warb, aber auch die Hälfte der Anhänger von Sozialdemokraten und Sozialisten nicht so stimmten, wie ihre Parteien es empfohlen hatten.

Letztendlich war es aber das Votum der unter 35-jährigen - diese stellten die grösste Gruppe der Nein-Sager - das die Waagschale Richtung Nein kippte. Diese Generation sei zwar global und europäisch orientiert, hätte aber gleichzeitig ein grosses Misstrauen gegenüber den EU-Institutionen, sagt Johannes Andersen, Politikwissenschaftkler an der Universität Aalborg: „Im Zweifel stimmt man dann eben Nein.“

Wobei selbst Pro-Europäer wenig Veranlassung hatten, ihr Kreuz beim „Ja“ zu machen: Die 22 Rechtsbereiche, bei denen Kopenhagen mehr europäische Zusammenarbeit akzeptieren wollte, waren sorgfältig ausgewählt worden. Nur DänInnen hätten davon profitiert. Alle Bereiche, die zu einer Verbesserung der Rechtspositionen anderer EU-Bürger oder übriger AusländerInnen hätte führen können - so auch eine gemeinsame europäische Flüchtlings- und Asylpolitik - , waren von Rasmussen & Co von vorneherein gezielt ausgeklammert worden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Gut recherchierter Artikel, allerdings muss die Überschrift dringend geändert werden. Dass Dänemark aus Europol austritt, ist schlichtweg falsch. Das stand erstens so nicht zur Abstimmung und zweitens will das auch keiner - weder die Wähler, wie Umfragen beweisen, noch die Politiker. Selbst die glühendsten "Nein"-Parteien sind für einen Verbleib in Europol. Was richtig ist, ist, dass DK theoretisch zum 1. Juli aus der europäischen Polizeizusammenarbeitraus wäre, wenn sie keine gesonderten Verhandlungen zum Verbleib in Europol angestrengt würden - was aber genau das ist, was Staatsminister Lars Løkke heute in Brüssel tut:

    http://politiken.dk/indland/politik/eu_afstemning/ECE2971270/lars-loekkes-forsigtige-forespoergsel/

     

    Also bitte Überschrift korrigieren. Es kann nichts ein, dass das Schlagwort "Europol" verbunden mit einer gewagten Aussage im Titel steht, Europol dann aber im gesamten Artikel nicht mehr vorkommt. Vielmehr geht es um die Hintergründe der und Reaktionen auf die Wahl.

  • Hallo,

     

    sieht so aus als wenn die Dänen klüger sind als die Deutschen.

    Was die Dänen alles richtig gemacht haben (und wir falsch):

     

    1. Dänemark hat besondere Ein und Zuwanderungsregeln.

    Die durften z. B. das Nachzugsalter auf 24 Jahre hochsetzen wo

    wir uns an 18 Jahre halten müssen (und damit ein Teil Nichtausgebildete bekommen im Gegensatz zu den Dänen)

    NB. Ich bgründe meine Argumente gerne, ich hab mal gehört es sei überzeugender.......

     

    Das haben die Dänen bei dem so ausgehandelt.

     

    2. Die Dänen durften darüber abstimmen ob sie den Euro möchten oder nicht.

    Sie wollten nicht und brauchen jetzt weder an Griechenland hüstel, räusper "Kredite" geben, waren auch nicht bei den Rettungspaketen dabei und bei der laufenden Transferunion auch nicht.

    Die Deutschen durften nicht über den Euro entscheiden .

    Eine echte Demokratie in D..........lieb...............und sehr teuer............

     

    3. Die Dänen haben auch keinen Haftungsanteil an der EZB.

    Die EZB finanziert (rechtswidrig) Staaten die eigentlich sparen müssten.

     

    4. Auch in Bezug auf Asylbwerber und Flüchtlinge hatten sie ein vernünftiges Maß.

    Im Gegensatz zu Deutschland das die Souveränität über seine Grenzen verloren hat.

     

    nb. Ich rechne dieses Jahr mit (mind.) 1,2 Millionen. Bislang lag ich immer zu niedrig.

     

    5. Und schon wieder entscheidet das "doofe" dänische Volk anders als es "linke" Politiker wollen. Und das ist auch gut so, denn wie es aussieht lag das "dumme" Volk

    bisher richtig und selbst wenn nicht es trägt schließlich auch die eigenen Entscheidungen.

    Ich wollt ich wäre Däne.

     

    Im übrigen wäre das auch für Deutschland ein Weg. Stuttgart 21 hat es gezeigt.

    Es ein Gewürge und unnötuge Spannungen dann eine Volxabstimmung die Klarheit gebraucht hat. Das hätte eher passieren müssen.

    Für mehr Demokratie brauchen wir Volxabstimmungen!

     

    nb. Auch eine AfD Forderung.

  • Gut recherchiert und analysiert Reinhard Wolff !

    Hinzuzufügen sei noch, das dieser `dänische Rückzug ins national/humanistische Private´, ein "NEIN" ist zur wildgewordenen EU neoliberal/ideologischen "Fortress Europa" Praxis! Seit dem Ende des Kalten Krieges wurde eine Umfangreiche Handelsverbindung mit Russland etabliert. Dieser Handel ist durch die Sanktionen gegen Russland sehr eingebrochen. Ganze Industriebereiche liegen brach. Zudem entspricht die Militarisierung der EU, wie auch die Radikalisierung der Flüchtlingsdebatte in der EU, nicht dem Bedarf des kleinen Dänemark.

    Das einstige Vertrauen in die EU, als übergeordnete Struktur von Frieden und menschlicher Solidarität, ist (m.E.) durch die neoliberale Ideologie der Ökonomisierung

    des Sozialstaates angekratzt.

    Heute, am "Tag danach" zeigt sich ein seltsamer Kontrast bei den "NEIN" sagern: die nationalkonservative dansk folkeparti (DF) versucht es als ihren Sieg zu sehen (um DK in ein dunkles, provinzielles Mittelalter zurückzuführen) . Während die humanistisch/ moderne Linkskultur es als Möglichkeit sieht , gegen die DF, für ein gesundes, kosmopolitisches DK zu agieren. Mit Einfluss auf die krisengeschüttelte EU..

    "The show goes on.."