Dämpfer in der Bundesliga: Hannover scheitert am Erfolgsdruck
Die 0:1-Heimniederlage gegen den Abstiegskandidaten Mönchengladbach zeigt, dass Hannover 96 noch lange nicht so gut ist, wie die Fans nach der erfolgreichen Saison geglaubt haben.
HANNOVER taz | Der fröhliche Gesang vom Europapokal, mit dem sich die Fans von Hannover 96 seit Wochen vergnügen, war erstaunlich schnell verstummt. Und als Kapitän Steven Cherundolo die heimische AWD-Arena verließ, in dem seine Mannschaft das ganz große Ding hatte stemmen wollen, machte der Amerikaner ein ziemlich trauriges Gesicht.
Schwach gespielt, durch ein 0:1 (0:0) gegen Borussia Mönchengladbach ausgebremst, das Fernduell gegen den FC Bayern München verloren: Cherundolo sprach von einer Last, die sich breitgemacht hatte. "Uns haben 49.000 Zuschauer über die Schulter geschaut, wie wir unsere Arbeit machen", sagte der Verteidiger. Sollte heißen: der Erfolgsdruck hatte ihm und seinen Kollegen ausgerechnet in diesem Spiel die Leichtigkeit genommen.
Zwar beteuerten fast alle anderen hannoverschen Hauptdarsteller, dass sie nicht an der hohen Erwartungshaltung gescheitert waren. Aber die Art und Weise, wie Hannover 96 ausgerechnet gegen den Abstiegskandidaten Gladbach mit schweren Beinen und leeren Köpfen gescheitert war, sprach dafür, dass der eine oder andere Spieler sich zu lange mit den Rechenspielen in der Tabelle beschäftigt hatte.
Vor allem Jan Schlaudraff, der den Großteil des Drucks im Kampf um den dritten Tabellenplatz eigentlich beim FC Bayern gesehen hatte, legte einen Auftritt hin, als ob er eine zentnerschwere Last mit auf den Platz nehmen musste. Der Mittelfeldspieler hatte sich genau wie Sergio Pinto und Manuel Schmiedebach ein Festival der Fehlpässe geleistet, das seinem Trainer sauer aufgestoßen war.
"Wir hatten unsere erste Torchance in der 60. Minute. Das ist, wenn man um die Champions League spielt, ein bisschen wenig", fand Mirko Slomka und räumte kleinlaut ein, dass man den Gladbachern in alle Belangen unterlegen gewesen sei.
Das Tor des Tages, das der starke Marco Reus in der 76. Minute für die Gäste erzielte, war ein herrlicher und wuchtiger Distanzschuss, der etwas Wichtiges beinhaltete - eine gehörige Portion Entschlossenheit. Während sich Gladbach nach trostlosen Monaten auf einmal vehement gegen den Abstieg stemmt, ist Hannover 96 nach einem erstaunlichen Höhenflug kurz vor dem Saisonende die die Puste ausgegangen.
"Letzte Woche haben wir ein großes Ziel erreicht. Wenn man dann noch größere Ziele vor Augen hat, kann schon mal eine Delle kommen", sagte Sportdirektor Jörg Schmadtke, der für 96 eine Mannschaft formen soll, die sich in der Euro League behaupten kann.
Auf die Idee, dass Hannover noch eine Etage höher in der Champions League gar nicht mehr richtig aufgehoben wäre, ist vor lauter Euphorie in der Stadt zuletzt kaum noch jemand gekommen. Torschütze Reus und die spielstarke Borussia aus Mönchengladbach haben dabei geholfen, die Hannoveraner wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen.
Zu den Begehrlichkeiten, die eine beachtliche 96-Saison mit 18 Siegen geweckt hat, gehören gefährliche Aspekte. Denn die Qualifikation für den europäischen Fußball kam wie ein Empfehlungsschreiben der besten Spieler für größere Aufgaben daher.
Erfolgsgaranten wie Torjäger Didier Ya Konan, gegen Gladbach kaum in Erscheinung getreten, und Schlussmann Ron-Robert Zieler werden von diversen Klubs umworben. "Ich habe die Hoffnung, dass diese Mannschaft zusammenbleiben darf", sagt Slomka.
Als es vor kurzem noch darum ging, den FC Bayern in der Tabelle abzuhängen, hat Verteidiger Christian Schulz davon gesprochen, dass Hannover 96 das neue Werder Bremen der Bundesliga werden könne. Die Pleite gegen Gladbach hat gezeigt, dass es eine gute Idee wäre, das neue Hannover 96 erst einmal behutsam zu hegen und zu pflegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen