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■ Streit um FriedensdemonstrationDämon Duve

Mal wieder ist im Bosnien-Krieg eine Neben-Neben-Nebenfront eröffnet worden. Den im Granatenhagel stehenden BosnierInnen dürfte sie ziemlich egal sein, aber in der hiesigen politischen Szene erregt sie die Gemüter. Es geht um die Frage, wie pazifistisch man sein muß, um an der Antikriegsdemo am 1. September unter dem Motto „Stoppt den Krieg in Bosnien“ teilnehmen zu dürfen.

Die PDS und die Jusos witterten als erste die Gefahr, von Kriegstreibern umzingelt zu sein, und traten als Veranstalter zurück. „Jeder, der will, daß dieser Krieg beendet wird, soll an dieser Demonstration teilnehmen und seine politische Position zum Ausdruck bringen“ – diese Passage in dem vom Südost Europa Verein formulierten Demoaufruf öffne den Militaristen Tor und Tür, der pazifistische Charakter des traditionellen Friedensmarsches werde damit nachgerade „verhöhnt“, argumentierten sie. Und als eben jener Verein auch noch den SPD-Bundestagsabgeordneten und Interventionsbefürworter Freimut Duve als Redner einlud, jenen Vertreter der „bundesdeutschen Politik der Kriegseinsätze“ (Laura von Wimmersperg von der Friedenskoordination), wollten auch Bündnisgrüne und Friedenskoordination nicht länger zu dieser Demonstration kriegslüsterner Möchtegerngeneräle aufrufen.

Man könnte darüber lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Es gibt doch fast niemanden, der angesichts der Kriegsgreuel in Bosnien nicht innerlich zerrissen wäre zwischen pazifistischem Gedankengut und dem Wunsch nach einer kriegsbeendenden Militärintervention. Doch statt diese Zerrissenheit im Aufruf zu formulieren und darüber zu debattieren, sortieren unsere hiesigen Friedensbeamten die Welt weiterhin in Gut und Böse: hier die persilweißen Pazifisten, dort die bluttriefenden Bellizisten. Duve ist in diesem Spiel nur eine Projektionsfläche für das im eigenen Lager abgespaltene „Böse“, denn auch bei den Grünen sind es so wenige nicht, die in der Bosnien-Frage ähnlich denken wie er. Man muß Duve weder mögen noch politisch beipflichten, um beunruhigt über die Dämonisierung solcher Positionen zu sein. Ute Scheub

Siehe Interview mit Freimut Duve auf Seite 22

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