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Da wir jetzt alles Kaufleute sind

■ Der Kunstverein hat einen neuen Vorsitzenden: Georg Abegg über die Dinge, die sich nun ändern müssen

Georg Abegg, Jahrgang –34, ist ein Kaufmann, wie er hanseatischer kaum sein könnte: Als Geschäftsführer steht er, in einem prachvollen Neubau an der Weser, einem Bremer Versicherungsunternehmen vor, das seine Familie vor vier Generationen aufbaute. Seit zwölf Jahren ist er im Vorstand des Bremer Kunstvereins. Jetzt wurde er zum neuen Vorsitzenden bestimmt. Wie er seine berufliche Qualifikation zu Nutz und Frommen der Kunst einsetzen will, erklärte er der taz im Gespräch.

Die Kunstvereine müßten heute die Funktion eines Elektroautos im rasenden Verkehr des Kunstmarkts übernehmen: sparsam, verläßlich und gegen den Strom des Zeitgeistes – so hat es Jürgen Schweinebraden, der ehemalige Leiter des Hamburger Kunstvereins mal formuliert. Würden Sie das unterschreiben?

Die Aufgabe des Bremer Kunstvereins unterscheidet sich ja stark von den normalen Vereinen in Hamburg, Köln, Bonn, wo auch immer. Unsere Funktion ist nicht nur, etwas zu organisieren, sondern auch das Betreiben eines doch sehr bedeutenden Museums. Das heißt: Ich muß auch bewahren, forschen, weiterentwickeln.

Welche besonderen Akzente will der Kunstverein in Bremen künftig setzen, im Umfeld der alten und neuen Kunsthäuser und Galerien?

Der Anspruch des Museums wird ja schon durch seinen Besitz zum Ausdruck gebracht. Wir haben ja doch ganz hervorragende Kunstwerke in unserem Haus, die in ihrer Bedeutung weit über das hinausgehen, was in anderen Museen hier in der Bundesrepublik ist – ich darf das so sagen, weil es nicht mein Verdienst ist. Gerade auf der Suche nach einem neuen Direktor und den Gesprächen mit interessierten Damen und Herren kommt immer wieder zum Ausdruck, daß man großen Respekt vor dem Besitz hat. Unsere Zielrichtung ist ganz eindeutig: auf höchstem Niveau auch in Zukunft Kunst zu sammeln; man wird natürlich nicht jede Periode darstellen können.

Wie unterscheidet sich dieses Ziel denn von dem, was bisher im Kunstverein passiert ist? Ihr Vorgänger Rudolf Blaum hatte noch im Dezember erklärt, es solle alles anders und besser werden.

Einmal muß natürlich unsere Selbstdarstellung anders werden. Unser Gebäude ist in einem katastrophalen Zustand. Die gute Kunst muß in einer anderen Umgebung besser dargestellt werden. Auch das ist natürlich eine Forderung jedes qualifizierten Bewerbers auf den Direktorenposten: Das Haus selbst muß erst mal in Ordnung gebracht werden. Und dann meine ich schon, daß wir Ausstellungen zeigen müssen, die wirklich hohen Ansprüchen genügen.

War das in der Vergangenheit nicht so der Fall?

Nicht immer. Gut, das ist natürlich eine Frage dessen, was man an Möglichkeiten hat. Wir haben in vielen Fällen einfach auch von der Hand in den Mund leben müssen. Das wird sich so schnell wohl nicht ändern.

Es muß aber. Vor allem im Zusammenwirken von Stadt und privater Seite. Wir sind im Moment ganz zuversichtlich, daß wir die derzeitigen Gespräche mit der Stadt zu einem guten Ende führen können. Die Stadt muß anerkennen, daß die Kunsthalle hier die Kunsthalle aller Bremer ist.

Gespräche mit der Stadt, das bedeutet doch wohl: Forderung nach mehr Zuschüssen, nach einer Finanzierung der Gebäudesanierung.

Bei der Sanierung ist die Stadt echt gefordert. Da haben wir Vorschläge unterbreitet mit einem Engagement von privater Seite, das sich in der selben Größenordnung bewegt wie der Anteil der Stadt. Wenn die Stadt die Hälfte bezahlt, zahlen wir auch die Hälfte; bei einem Drittel zahlen wir auch ein Drittel.

Und das letzte Drittel?

Da ruhen unsere Hoffnungen auf dem Bund. Das hat ja beim Marcks-Haus ja schon gut funktioniert, dort ist eine deutliche Verbesserung des ganzen Museums herausgekommen nach diesem Drittel-Modell. Sowas stellen wir uns für die Kunsthalle auch vor. Aber wir wollen von der Stadt auch feste Zusagen bekommen für einen längeren Zeitraum. Man kann sonst keinen Museumsbetrieb auf hohem Niveau in Gang halten. Für wirklich gute Ausstellungen baruchen Sie ein, zwei Jahre Vorlauf. Da muß die Stadt ein zuverlässiger Partner sein.

Ist sie das zur Zeit nicht mehr?

Tja, es ist zumindest schwierig. Vielleicht ist es für das Ressort auch heute nicht machbar, langfristige Zusagen zu geben. Aber es gab auch Fälle, wo wir die Zusage hatten: Wir machen halbe-halbe; dann haben wir unsere Hälfte eingebracht und das Bild gekauft, und dann fehlte der zweite Teil. Da war das Bild bereits bei uns im Haus, aber wir mußten es mangels Masse wieder zurückgeben.

Nochmal zurück zum inhaltlichen Programm. Bisher hat die Kunsthalle einerseits die Klassische Moderne gepflegt, zum anderen punktuell ganz aktuelle, junge Kunst gezeigt. Das scheint mir ein schwieriger Spagat zu sein.

Wir gehen oft noch weiter, noch vor die Klassische Moderne; die ist bei uns ja gar nicht so stark repräsentiert. Aber da haben Sie recht: Es ist ein gewisser Spagat mit der Kunst um die Jahrhundertwende, mit der Nachkriegskunst und der aktuellen Moderne. Das ist aber das Problem, was nicht der Vereinsvorstand hat, sondern der künftige Direktor.

Aber der Vorstand sucht ihn aus.

Ja. Wir suchen schon jemanden, der einen Bezug zu dem hat, was wir besitzen. Das ist der deutsche Impressionismus und die französische Kunst bis zur Jahrhundertwende. Da sind wir ganz stark, und daraus müssen wir künftig mehr machen. Da stimmen wir auch mit dem Kulturressort überein. Die großen Ausstellungen, wo Sie sich aus aller Welt etwas zusammenholen – das ist gar nicht mehr darstellbar.

Es gibt aber noch ein anderes Stichwort aus dem Kulturressort: ein „Marketingkonzept“ für die Museen. Wird so etwas zur Zeit im Kunstverein diskutiert?

Gut; wir wollen schon unsere Schätze zeigen, aber müssen natürlich auch sehen: Im eigenen Lande gelten die eigenen Schätze nichts. Wir können zwar eine gute Toulouse-Lautrec-Ausstellung aus unseren Beständen machen. Trotzdem müssen Sie so ein paar Highlights von außen dazunehmen. Das sehen Sie bei der jetzigen Ausstellung über Porträtkunst. Da hängen viele Bilder, die ansonsten im Magazin sind; eine ganz nette Ausstellung. Aber da gehen die Leute nicht hin, weil sie sagen: Das ist doch nichts besonderes. Was das Marketing angeht, das wollen wir also weiter verfeinern. Da wir jetzt im Vorstand alles Kaufleute sind, kommt dieser Aspekt sicherlich etwas mehr zur Geltung.

Muß der neue Direktor auch solche kaufmännischen Qualitäten mitbringen? Sie suchen ja nun schon einige Monate lang – kann sich der Vorstand nicht einigen?

In diesem Monat werden wir die Wahl treffen; bis der neue Direktor dann anfängt, das kann natürlich bis nach den Sommerferien werden. Zur Zeit sind drei absolut gleichwertige Kandidaten in der engeren Wahl: Wulf Herzogenrath aus Berlin, Peter Güse, der erste Mann des Saarlandmuseums, und Herr Schrenk vom Bonner Kunstverein. Unsere Vorstellungen sind so: Er muß ein ausgewiesener Kunsthistoriker sein; er muß eine gewisse Reputation haben; er muß eigene Vorstellungen davon haben, was er im Hause machen möchte. Und er muß einen sehr breiten Bezug zur Kunst haben, auch zum Kupferstichkabinett. Natürlich muß er auch mit Geld umgehen können und gewisse Management-Qualitäten haben. Auch von Architektur muß er was verstehen, um zu wissen, wie die Sanierung laufen soll. Also, das muß schon fast ein Wunderknabe sein. Fragen: Thomas Wolff

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