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■ RADIODAYSDONNERSTAG

Beim SDR2 kommen Ballett-Fans wie Musik-Liebhaber zu gleichen Teilen auf ihre Kosten, denn um 18.30 Uhr stellt kein minderer als der Hamburger Ballett-Direktor John Neumeier eine Stunde lang seinen Musikgeschmack zur Schau. Da dieser einstige Tänzer — unter anderem in der inzwischen legendären Companie von John Cranko in Stuttgart — heute in der Riege der „intelligentesten und kreativsten Choreographen“ seinen festen Platz einnimmt, ist es ja sicher nicht uninteressant, eine Quelle seiner nimmer enden wollenden Inspiration zu ergründen.

Wer sein Radio an der Waterkant zu stehen hat und sich vom NDR am besten vertreten fühlt, kann dort im Dritten Programm eine literarische Seereise antreten: In einer Wiederaufnahme aus dem Jahr 1974 um 21.30 Uhr geht Ernst Schnabels Sendung Auf der Suche nach Joseph Conrad über den Äther. Dabei wissen sowohl der Primär- als auch der Sekundärautor genau, wovon sie reden, denn beide sind ausgiebigst zur See gefahren, bevor sie sich dem „Abenteuer Schreibmaschine“ rückhaltlos auslieferten. Hier ist es gelungen, die epischen Welten des polnisch-englischen Romanciers Conrad fesselnd im akustischen Medium zu beschwören...

Wer allerdings weiter südlich sitzt und „nur“ in Reichweite des WDR3, braucht auch nicht zu weinen, denn hier kommt um 21.00 Uhr ein vielleicht weniger unterhaltsames, aber nicht minder spannendes Feature mit dem Titel Hälfte des Lebens. Thema ist die Lebensgeschichte der im Jahre 1900 promovierten begabten Chemikerin Clara Immerwahr, die am 2.Mai 1915 durch Selbstmord tragisch aus dem Leben schied.

Dieser Selbstmord wurde von ihrem Mann vor der Öffentlichkeit als depressive Verzweiflungstat gewertet, scheint jedoch bei näherem Betrachten der Todesumstände wesentlich vielschichtiger zu sein: So erschoß sich die engagierte Wissenschaftlerin genau am Morgen des Tages, an dem ihr Mann, Fritz Haber, von der Westfront zur Ostfront eilte, um dort eine große Massenvernichtung durch Giftgaseinsatz vorzubereiten.

Aus teils unveröffenlichten Briefen rekonstruierte Gerit Kokula die Empfindungen Clara Immerwahrs zum langsamen Aufstieg ihres Mannes vom Hilfsassistenten für Gasanalyse zum „Vater des Gaskrieges“ (Haber erhielt 1918 den Nobelpreis für Chemie!).

Die Geschichte des Wissenschaftlerpaars spiegelt folglich mehr als nur eine Ehekrise!

Um 23.05 Uhr beschließen wir dann den Radioday mit dem SWF2, der unter dem Titel Kleine jüdische Komödie kurze pointierte Anekdoten von Maxim Biller auftischt. Diese Anthologie steckt randvoll mit skurillem Humor und ist wohl der beste Zündstoff für interessante Träume...

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