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DOKUMENTATIONWaldheim war immer auf Urlaub

■ Auszüge aus einem Gespräch der Historikerkommission mit Kurt Waldheim

Wien (dpa) – Die internationale Historikerkommission hatte vor Abschluß ihres Berichts Waldheim selbst befragt. Der österreichischen Agentur APA ist von offizieller Seite ein Protokoll über das Gespräch mit Waldheim zugänglich gemacht worden. Nachfolgend Auszüge:

Auf Fragen des israelischen Historikers Jehuda Wallach, ob Waldheim in der fraglichen Zeit an seinem damaligen Standort Arsakli bei Saloniki nicht bemerkt habe, daß die Juden zuerst einen gelben Stern getragen hätten und dann verschwunden seien?

Waldheim: „Ich war nicht dort zu dieser Zeit“. Wallach: „Sie waren zum Teil dort.“ Waldheim: „Dies steht im Widerspruch zum Standardwerk von Hilbert, der die Deportation der jüdischen Bevölkerung von Saloniki eingehend behandelt. Herr Wiesenthal (Leiter des Jüdischen Dokumentationszentrums in Wien) hat mich darauf angesprochen und gesagt: Sie waren weder ein Kriegsverbrecher noch ein Nazi. Sagen Sie doch, daß Sie von der Verschleppung der jüdischen Bevölkerung wußten. Ich habe es wirklich nicht gewußt. Von November 1942 bis Anfang April 1943 war ich nämlich auf Studienurlaub in Wien und unmittelbar darauf in Tirana. In diesem Zeitraum erfolgten aber die wesentlichen Abtransporte. Von Ende Juli bis Anfang Oktober war ich in Athen, als letzte Transporte abgingen. Das mag die Erklärung sein. Außerdem bin ich wenig in Saloniki gewesen. Ich will Ihnen wirklich nichts verschweigen.“

Wallach: In Saloniki habe es einen großen jüdischen Friedhof gegeben, der im Laufe des Jahres 1943 „ausradiert“ worden sei. Das müsse „doch aufgefallen sein“. Waldheim: „Ich selbst war zu dieser Zeit ständig unterwegs, bzw. auf Heimaturlaub und habe davon nichts gesehen. Ich bedauere diese Tragik zutiefst. Wie schon gesagt, ich habe mich nicht oft und immer nur kurz in Saloniki aufgehalten.“

Wallach: Es habe sich um die Deportation von nicht weniger als 50.000 Juden gehandelt – „ein Viertel der 200.000 Einwohner von Saloniki war also plötzlich weg. Waldheim: „Ich habe tiefsten Respekt vor Ihrer Meinung und teile Ihr Entsetzen über diese schrecklichen Ereignisse. Nachher hat man sicher allgemein von derartigen Maßnahmen gewußt. Bei meinen Kurzaufenthalten in Saloniki habe ich keine Juden mit Stern gesehen.“

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