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DIW-Vorschlag für GeringverdienerMehr Rente für Kurzlebige

Die Wirtschaftsforscher vom DIW schlagen vor, die Renten von Niedrigverdienern erhöhen. Grund dafür: Deren Lebenserwartung ist niedriger.

Besserverdiener sollen weniger Rente beziehen - weil sie sie länger ausgezahlt bekommen, so das DIW. Bild: dpa

BERLIN taz Auf den ersten Blick wirkt es wie ein bloßer Rechentrick: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) glaubt, die drohende Altersarmut von Geringverdienenden drastisch eindämmen zu können - ohne mehr Steuergeld ins Rentensystem zu pumpen. Im Kern geht es bei dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Modell um eine Umverteilung der Rentengelder von oben nach unten.

Die DIW-Forscher um die Ökonomen Friedrich Breyer und Stefan Hupfeld von der Universität Konstanz gehen dabei von folgenden Umstand aus: Menschen, die vergleichsweise wenig verdienen, haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung als solche mit höheren Einkommen. Die Wirtschaftsexperten plädieren dafür, dies künftig bei der Berechnung der Rentenhöhe zu berücksichtigen. Wer also ein vergleichsweise niedriges Einkommen hatte, soll etwas mehr Rente pro Monat bekommen. Besserverdienende bekämen monatlich etwas weniger als bisher, weil sie durchschnittlich länger Rente beziehen.

Unterm Strich, argumentieren die Forscher, könnten die Kosten fürs Rentensystem dank der neuen Rentenformel stabil bleiben. Gleichzeitig würde sie das befürchtete Ausmaß der Altersarmut im Jahr 2030 "um drei Viertel oder mehr senken", erklärte Breyer. Denn in seiner Rechnung prognostiziert das DIW: Wenn die Rentenformel unverändert bleibt, werden in 21 Jahren selbst von denen, die 35 Arbeitsjahre lang in die Rentenversicherung einbezahlt haben, 1,2 Prozent eine Rente unterhalb des Sozialhilfesatzes erhalten. Laut Institut lässt sich diese Rate auf 0,26 Prozent drücken. Der DGB geht davon aus, dass in 20 Jahren knapp ein Drittel der gesetzlichen Renten auf Sozialhilfeniveau liegen werden.

Der Vorschlag für eine neue Rentenformel sagt nichts darüber aus, wie diese sich auf die Altersbezüge von Frauen auswirken werden. Für ihr Modell haben die Studienmacher ausschließlich die Daten der rentenversicherten Männer analyisiert, die zwischen 1994 und 2005 gestorben sind. Frauen zahlen im Schnitt kürzere Zeit als Männer in die Versicherung ein, leben aber länger. Zudem müssen die Wirtschaftsforscher eingestehen, dass sie das Ausmaß der Altersarmut nicht genau vorhersehen können. Denn sie haben nicht untersucht, ob die Rentner sonstiges Vermögen haben - beispielsweise eine private Zusatzrente, Geld aus Versicherungen oder Mieteinnahmen.

Der rentenpolitische Experte der Linkspartei-Fraktion, Volker Schneider, sieht im jüngsten Reformmodell einen "weiteren Versuch, das solidarische Rentensystem zu demontieren", denn "für Besserverdiener würde die gesetzliche Rente durch den DIW-Vorschlag noch unattraktiver". Profitieren würden "allein die privaten Rentenversicherer".

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21 Kommentare

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  • N
    Nirvana

    da soll also die Umverteilung innerhalb des Armenhauses vorgenommen werden, anstatt das Rentensystem zu stärken und auf solidere Beine zu stellen. Die Rentenkasse ist doch seit Jahren zu Gunsten der privaten Finanz- und Versicherunsgindustrie kaputt gemacht worden. Riester ist nur ein Schurkenstück von vielen. Auf der Seite Rentenreform-Alternative sind Fakten und zahlen zu lesen was warum passiert und Forderungen an die Politik womit die solidarische, gesetzliche Rentenkasse aus den Fängen der privaten Abzocker zurückgeholt werden muss. Dazu sind Antworten der Abgeordneten zu lesen, die deutlich machen, wie sehr sie an der kurzen Leine der Finanzindustrie hängen. Andere Länder, die auf private Altersversorgung gesetzt haben, erleben nun, dass die Leute nicht in Rente gehen sondern wieder zur Arbeit, denn die Knete ist futsch. Das Rentensystem hier basiert auf einer simplen Formel die durch nichts zu erstezen ist: Die Kartoffeln die ich heute ernte und verteile, kann mir morgen keiner klauen. Nun aber wird die Rente an die Versicherunsgbranche verscherbelt. Der Niedriglohnsektor ist ein weiterer Faktor, obwohl die Produktiviät immer weiter gewachsen ist, ist die Verteilung immer ungleicher geworden.

  • S
    Sebastian

    dieses rentensystem ist eh nicht zukuftsfähig... es müsste ein ähnliches konzept wie die solidarische bürgerversicherung (welche die SPD für die Krankenversicherung vorschlägt) auch für die rentenversicherung geben...

  • B
    Bernd

    Meiner Meinung nach genau richtig. Warum die Armen in der Rentenversicherung die Reichen mitfinanzieren sollen, erschließt sich mir überhaupt nicht. Auch wenn der Effekt nicht allzu groß ist, geht dies einen Schritt in die richtige Richtung.

     

    Eine Reform des Gesundheitssystems muss trotzdem folgen, um den Lebenserwartungs-Unterschied zwischen arm und reich zu drücken.

  • JR
    Jörg Rupp

    Ist eigentlich schon mal jemand die Idee gekommen - wenn man die "Einsparungen" schon ungefähr berechnen kann, dafür zu sorgen, dass dieses Geld dafür verwendet wird, dass diese Geringverdiener ebenso lange leben können wie "Normal oder Gutverdiener"?

    ich bin ein bißchen fassungslos ob des Zynismus dieses Vorschlags....

  • H
    herbert

    Edle Absicht, seltsame Idee.

    Das Prinzip der Beitragsgerechtigkeit würde ad absurdum geführt, leidtragend wäre -mal wieder- der Mittelstand.

    Stattdessen könnte man die dadurch entstehenden zusätzlichen Aufwendungen in Maßnahmen zur Gesundheitsfürsorge bei Senioren investieren. Das ist zweckgebunden. (Ein wenig rumgesponnen: es ist nicht unmöglich, dass Geringverdienener aufgrund ihrer niedrigeren Bildung einen ungesünderen Lebensstil pflegen. Da nützt die zusätzliche Rente im Alter nichts - im Gegenteil wäre denn ggf. mehr Geld für Tabak und Alkohol vorhanden.)

  • M
    Mokantin

    Über den Vorschlag kann man sicher trefflich streiten. Aber den Kommentar der Linkspartei kann ich gar nicht verstehen: da findet eine Umverteilung von oben nach unten statt, und die Genossen wollen's nicht?

     

    Die gesetzliche Rentenversicherung ist schon heute für Besserverdiener gänzlich uninteressant, und wer aussteigen kann, steigt aus. Diese (zumal geringe) Umverteilung sollte also keinen weiteren Effekt haben. Ich vermute eher, dass es sich beim Linkspartei-Kommentar um einen Reflex auf die Herkunft des Vorschlages - des DIW - handelt. Ein schönes Beispiel für dogmatisches Denken.

  • N
    Nolo

    Die Idee ist vom Grundsatz her falsch: Ein Rentensystem ist nicht dafür da, dass jeder unterm Strich gleich viel raus kriegt, sondern dass jeder Mensch im Alter würdig leben kann, egal wie lange das Alter dauert

  • N
    Nirvana

    da soll also die Umverteilung innerhalb des Armenhauses vorgenommen werden, anstatt das Rentensystem zu stärken und auf solidere Beine zu stellen. Die Rentenkasse ist doch seit Jahren zu Gunsten der privaten Finanz- und Versicherunsgindustrie kaputt gemacht worden. Riester ist nur ein Schurkenstück von vielen. Auf der Seite Rentenreform-Alternative sind Fakten und zahlen zu lesen was warum passiert und Forderungen an die Politik womit die solidarische, gesetzliche Rentenkasse aus den Fängen der privaten Abzocker zurückgeholt werden muss. Dazu sind Antworten der Abgeordneten zu lesen, die deutlich machen, wie sehr sie an der kurzen Leine der Finanzindustrie hängen. Andere Länder, die auf private Altersversorgung gesetzt haben, erleben nun, dass die Leute nicht in Rente gehen sondern wieder zur Arbeit, denn die Knete ist futsch. Das Rentensystem hier basiert auf einer simplen Formel die durch nichts zu erstezen ist: Die Kartoffeln die ich heute ernte und verteile, kann mir morgen keiner klauen. Nun aber wird die Rente an die Versicherunsgbranche verscherbelt. Der Niedriglohnsektor ist ein weiterer Faktor, obwohl die Produktiviät immer weiter gewachsen ist, ist die Verteilung immer ungleicher geworden.

  • S
    Sebastian

    dieses rentensystem ist eh nicht zukuftsfähig... es müsste ein ähnliches konzept wie die solidarische bürgerversicherung (welche die SPD für die Krankenversicherung vorschlägt) auch für die rentenversicherung geben...

  • B
    Bernd

    Meiner Meinung nach genau richtig. Warum die Armen in der Rentenversicherung die Reichen mitfinanzieren sollen, erschließt sich mir überhaupt nicht. Auch wenn der Effekt nicht allzu groß ist, geht dies einen Schritt in die richtige Richtung.

     

    Eine Reform des Gesundheitssystems muss trotzdem folgen, um den Lebenserwartungs-Unterschied zwischen arm und reich zu drücken.

  • JR
    Jörg Rupp

    Ist eigentlich schon mal jemand die Idee gekommen - wenn man die "Einsparungen" schon ungefähr berechnen kann, dafür zu sorgen, dass dieses Geld dafür verwendet wird, dass diese Geringverdiener ebenso lange leben können wie "Normal oder Gutverdiener"?

    ich bin ein bißchen fassungslos ob des Zynismus dieses Vorschlags....

  • H
    herbert

    Edle Absicht, seltsame Idee.

    Das Prinzip der Beitragsgerechtigkeit würde ad absurdum geführt, leidtragend wäre -mal wieder- der Mittelstand.

    Stattdessen könnte man die dadurch entstehenden zusätzlichen Aufwendungen in Maßnahmen zur Gesundheitsfürsorge bei Senioren investieren. Das ist zweckgebunden. (Ein wenig rumgesponnen: es ist nicht unmöglich, dass Geringverdienener aufgrund ihrer niedrigeren Bildung einen ungesünderen Lebensstil pflegen. Da nützt die zusätzliche Rente im Alter nichts - im Gegenteil wäre denn ggf. mehr Geld für Tabak und Alkohol vorhanden.)

  • M
    Mokantin

    Über den Vorschlag kann man sicher trefflich streiten. Aber den Kommentar der Linkspartei kann ich gar nicht verstehen: da findet eine Umverteilung von oben nach unten statt, und die Genossen wollen's nicht?

     

    Die gesetzliche Rentenversicherung ist schon heute für Besserverdiener gänzlich uninteressant, und wer aussteigen kann, steigt aus. Diese (zumal geringe) Umverteilung sollte also keinen weiteren Effekt haben. Ich vermute eher, dass es sich beim Linkspartei-Kommentar um einen Reflex auf die Herkunft des Vorschlages - des DIW - handelt. Ein schönes Beispiel für dogmatisches Denken.

  • N
    Nolo

    Die Idee ist vom Grundsatz her falsch: Ein Rentensystem ist nicht dafür da, dass jeder unterm Strich gleich viel raus kriegt, sondern dass jeder Mensch im Alter würdig leben kann, egal wie lange das Alter dauert

  • N
    Nirvana

    da soll also die Umverteilung innerhalb des Armenhauses vorgenommen werden, anstatt das Rentensystem zu stärken und auf solidere Beine zu stellen. Die Rentenkasse ist doch seit Jahren zu Gunsten der privaten Finanz- und Versicherunsgindustrie kaputt gemacht worden. Riester ist nur ein Schurkenstück von vielen. Auf der Seite Rentenreform-Alternative sind Fakten und zahlen zu lesen was warum passiert und Forderungen an die Politik womit die solidarische, gesetzliche Rentenkasse aus den Fängen der privaten Abzocker zurückgeholt werden muss. Dazu sind Antworten der Abgeordneten zu lesen, die deutlich machen, wie sehr sie an der kurzen Leine der Finanzindustrie hängen. Andere Länder, die auf private Altersversorgung gesetzt haben, erleben nun, dass die Leute nicht in Rente gehen sondern wieder zur Arbeit, denn die Knete ist futsch. Das Rentensystem hier basiert auf einer simplen Formel die durch nichts zu erstezen ist: Die Kartoffeln die ich heute ernte und verteile, kann mir morgen keiner klauen. Nun aber wird die Rente an die Versicherunsgbranche verscherbelt. Der Niedriglohnsektor ist ein weiterer Faktor, obwohl die Produktiviät immer weiter gewachsen ist, ist die Verteilung immer ungleicher geworden.

  • S
    Sebastian

    dieses rentensystem ist eh nicht zukuftsfähig... es müsste ein ähnliches konzept wie die solidarische bürgerversicherung (welche die SPD für die Krankenversicherung vorschlägt) auch für die rentenversicherung geben...

  • B
    Bernd

    Meiner Meinung nach genau richtig. Warum die Armen in der Rentenversicherung die Reichen mitfinanzieren sollen, erschließt sich mir überhaupt nicht. Auch wenn der Effekt nicht allzu groß ist, geht dies einen Schritt in die richtige Richtung.

     

    Eine Reform des Gesundheitssystems muss trotzdem folgen, um den Lebenserwartungs-Unterschied zwischen arm und reich zu drücken.

  • JR
    Jörg Rupp

    Ist eigentlich schon mal jemand die Idee gekommen - wenn man die "Einsparungen" schon ungefähr berechnen kann, dafür zu sorgen, dass dieses Geld dafür verwendet wird, dass diese Geringverdiener ebenso lange leben können wie "Normal oder Gutverdiener"?

    ich bin ein bißchen fassungslos ob des Zynismus dieses Vorschlags....

  • H
    herbert

    Edle Absicht, seltsame Idee.

    Das Prinzip der Beitragsgerechtigkeit würde ad absurdum geführt, leidtragend wäre -mal wieder- der Mittelstand.

    Stattdessen könnte man die dadurch entstehenden zusätzlichen Aufwendungen in Maßnahmen zur Gesundheitsfürsorge bei Senioren investieren. Das ist zweckgebunden. (Ein wenig rumgesponnen: es ist nicht unmöglich, dass Geringverdienener aufgrund ihrer niedrigeren Bildung einen ungesünderen Lebensstil pflegen. Da nützt die zusätzliche Rente im Alter nichts - im Gegenteil wäre denn ggf. mehr Geld für Tabak und Alkohol vorhanden.)

  • M
    Mokantin

    Über den Vorschlag kann man sicher trefflich streiten. Aber den Kommentar der Linkspartei kann ich gar nicht verstehen: da findet eine Umverteilung von oben nach unten statt, und die Genossen wollen's nicht?

     

    Die gesetzliche Rentenversicherung ist schon heute für Besserverdiener gänzlich uninteressant, und wer aussteigen kann, steigt aus. Diese (zumal geringe) Umverteilung sollte also keinen weiteren Effekt haben. Ich vermute eher, dass es sich beim Linkspartei-Kommentar um einen Reflex auf die Herkunft des Vorschlages - des DIW - handelt. Ein schönes Beispiel für dogmatisches Denken.

  • N
    Nolo

    Die Idee ist vom Grundsatz her falsch: Ein Rentensystem ist nicht dafür da, dass jeder unterm Strich gleich viel raus kriegt, sondern dass jeder Mensch im Alter würdig leben kann, egal wie lange das Alter dauert