DIE WEHRMACHTSAUSSTELLUNG PROVOZIERT DIE RECHTSRADIKALEN: Nazis auf Symbolsuche
Auf die überarbeitete Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg wollen Alt- und Neonazis heute mit einem großen Aufmarsch durch das einst jüdische Scheunenviertel reagieren. Die Symbolik ist empörend. Doch so dreist das Vorhaben auch ist: Die Wehrmachtsausstellung ist heute nicht mehr geeignet, eine politisch gefährliche Nähe zwischen Rechtsradikalen und Rechtskonservativen herzustellen. Zeitgleiche Veranstaltungen von NPD und CSU gegen die Schau wie 1997 in München sind heute nicht mehr vorstellbar. Das hat inhaltliche und politische Gründe.
Jetzt bleiben die Bürgerlichen weg, die noch vor ein paar Jahren eine „saubere Wehrmacht“ von der verbrecherischen SS abgrenzen wollten. Ihr Versuch, die eigene Ehre, die der Väter und die der Nation zu retten, sorgte in den Neunzigerjahren für erregte Debatten. Das war von den Ausstellungsmachern beabsichtigt und führte – trotz fehlerhafter Präsentationen – zum Erfolg. Das Ansehen der Wehrmacht in der Öffentlichkeit hat sich dank ihrer Arbeit dramatisch verschlechtert, und bei der persönlichen Verantwortung von Soldaten für eine Teilnahme an Kriegsverbrechen ist die Beweislast jetzt vom Befehlsnotstand zur Schuldvermutung umgedreht.
Der NPD läuft die Zeit davon, und das Argumentieren ist zu gefährlich geworden. Ihr droht das Verbot, weil sie sich zum Sammelbecken von Alt- und Neonazis entwickelt hat. Ihre radikale Identität in der Gegenwart findet sie im Ausländerhass, aber auf ihrer Suche nach Vergangenheit muss sie vorsichtig sein. Den Holocaust kann sie nicht leugnen – das würde das Verbotsverfahren arg vereinfachen –, bejahen kann sie den Judenmord aber erst recht nicht. Vom Wehrmachtsthema, das ihr einst als Einfallstor ins bürgerliche Lager diente, kann sie auf Grund ihres Selbstverständnisses nicht zurück, obwohl es nicht mehr zur Bündnispolitik taugt. Auf ein einigendes Geschichtsbild muss sie deswegen verzichten. Die Mobilmachung der NPD schrumpft auf einen symbolischen Antisemitismus, der unausgesprochen bleiben muss – jedenfalls solange das Parteiverbot droht.
DIETMAR BARTZ
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen