DIE WAHRHEIT: Schwuler Rastplatz
Vor ein paar Monaten hat ein Mann in Kalifornien den Motorradhersteller BMW verklagt, weil er sich mit einer vierstündigen Fahrt eine Erektion ....
V or ein paar Monaten hat ein Mann in Kalifornien den Motorradhersteller BMW verklagt, weil er sich mit einer vierstündigen Fahrt eine Erektion von zwei Jahren eingehandelt haben will. Mediziner nennen das Priapismus. Patienten finden es nicht annähernd so witzig, wie man meinen möchte. Mir schlafen beim BMW-Fahren von den homöopathischen Vibrationen nach vier Stunden höchstens die Fingerspitzen ein. Dann stelle ich das Motorrad auf den – Vorsicht, Anspielung! – Seitenständer und drehe mir erstmal eine Zigarette.
So wie neulich, als ich, unterwegs nach Luxemburg, den Rastplatz „Homburger Bruch“ entdeckte. Ein lauschiges Plätzchen, von der Autobahn nicht einzusehen. Nur laubgedämpftes Rauschen. Fünf Autos parkten dort, zu sehen war aber niemand – bis auf einen Mann, der mit verschränkten Armen an einem der Picknicktische lehnte und mir freundlich zunickte. Als ich freundlich zurücknickte, kam er herüber, gab mir Feuer und fragte: „Na?“ Als ich mich höflich bedankte, verschloss sich irgendwie sein Gesichtsausdruck.
Ich vertrat mir vorsichtshalber in entgegengesetzter Richtung die Beine. Auf Raststätten führt der Weg zur körperlichen Erleichterung üblicherweise seitwärts durchs Dickicht an sehr, sehr dunkle Orte. Hier war das anders. Hinter einem Drahtzaun öffnete sich die Wildnis in Gestalt einer lieblichen Aue aus gestaffelten Baumreihen. Sonnenflecken auf weichem Gras. Wilde Johannisbeersträucher. Ein Mann um die 40 in Outdoor- Sandalen und kurzen Hosen, der nachdenklich durchs Bild flanierte. Gefolgt von einem weiteren Mann in Outdoor-Sandalen und kurzen Hosen …
Beide verschwanden im Gebüsch, nach einer Weile trug der sanfte Wind klatschende Geräusche zu mir herüber. Hm. Nachdenklich schnippte ich die Kippe auf den Boden und sah beim Austreten, dass sie dort zwischen gebrauchten Kondomen lag. Schon weit weniger nachdenklich setzte ich den Helm auf, drehte den Zündschlüssel um und – nichts. Totaler Ausfall der Elektronik. Ich saß einstweilen fest. Nicht irgendwo, sondern offenbar direkt vor dem Eingang zum beliebtesten und belebtesten Outdoor-Darkroom im Südwesten.
In den folgenden 30 Minuten, in denen ich schwitzend an Kabeln nestelte und Sicherungen austauschte, wurde ich genau zehn Mal von freundlichen älteren Herren angesprochen, wie’s wäre mit uns zwei Hübschen. Ob ich der „Marcel93 aus dem Forum“ sei oder, wenn nicht, trotzdem gern mal wieder „so richtig durchgefickt“ werden wollte.
Wer keineswegs „so richtig durchgefickt“ werden will, jedenfalls nicht von einem auf Sandalen dahergelaufenen Rentner mit runtergelassenen Hosen, der darf auf solche Offerten dann auch mal genervt bis aggressiv reagieren. Vielleicht sollte das „Homburger Bruch“ nicht als Rastplatz ausgewiesen werden, sondern als Abenteuerspielplatz zur homosexuellen Triebabfuhr. Nach gut 45 Minuten, in denen ich weder pinkeln noch den ADAC rufen mochte, sprang das Moped dann doch wieder an. Gegenwärtig prüft mein Anwalt, wegen was genau wir nun BMW verklagen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was